Untertürkheim: Am 1. Mai vor 80 Jahren gründeten die Firmen Daimler und Benz eine Interessengemeinschaft
Nicht jede Verlobung endet glücklich. Die Kooperation, die zwei Firmen vor exakt 80 Jahren schlossen, hält jedoch seit Jahrzehnten mit Erfolg: Am 1. Mai 1924 gründeten die Firmen Benz & Cie und die Daimler-Motorengesellschaft eine Interessengemeinschaft, aus der 1926 Daimler-Benz entsteht.
Von Mathias Kuhn
Es ist schon erstaunlich: Obwohl die beiden Erfinder des Automobils, Gottlieb Daimler und Karl Benz, aus heutiger Sicht nur eine Autostunde voneinander wirkten, kamen die beiden Genies sich nie näher. In den ersten 40 Jahre nach ihren bahnbrechenden Erfindungen arbeiteten ihre Firmen neben- und teilweise sogar gegeneinander.
Streng genommen war es der verlorene Erste Weltkrieg, genauer gesagt die wirtschaftlichen Auswirkungen, die die Vorstände beider südwestdeutscher Unternehmen zwang, (endlich) aufeinander zuzugehen. Schon in den Kriegsjahren versuchte Daimler-Vorstand Ernst Berge die Aufsichtsräte der beiden Automobilfabriken von einer Fusion zu überzeugen. Doch Daimler-Aufsichtsratsvorsitzender Alfred von Kaulla, zugleich Manager der Württembergischen Vereinsbank, fürchtete um seinen Einfluss und vereitelte den Plan. Acht Jahre später, nach dem verheerenden Krieg war der Leidensdruck für beide Firmen zu groß. Der Staat war kein Großabnehmer von Staatskarossen und Militärfahrzeugen mehr und das Auslandsgeschäft - beide Autofirmen erzielten einen Großteil ihres Gewinns vor 1914 durch den Export ihrer beliebten Limousinen - lag am Boden. Die ausländische Konkurrenz nutzte sogar die Zeit, die Qualität ihrer eigenen Automarken zu verbessern und in die Massenproduktion einzusteigen.
Ausschlaggebend war ließen die rasante Inflation. Der Wertverfall ließ kein sicheres Wirtschaften zu. Die "Verlobung" musste helfen. Die Kooperation, die zwei Firmen vor exakt 80 Jahren schlossen, hält jedoch seit Jahrzehnten mit Erfolg: Am 1. Mai 1924 gründeten die Firmen Benz & Cie und die Daimler-Motorengesellschaft eine Interessengemeinschaft, aus der 1926 Daimler-Benz entsteht.
Die Markenzeichen bis heute
Chance für Rationalisierung
Die beiden Firmen sollten "die Opfer an Geld und Gut, die sie früher brachten, um sich zu bekämpfen, künftig einer gemeinsamen Sache weihen", fordert 1924 Carl Jahr, der im Aufsichtsrat von Benz & Cie saß. Er versprach sich durch die Bündelung der Aktivitäten Rationalisierungschancen. So stimmten am 1. Mai 1924 die Vorstände beiden Unternehmen der Gründung einer Interessengemeinschaft (IG) zu. In dem Vertrag schlossen sich Daimler und Benz "unter Wahrung ihrer rechtlichen Selbständigkeit" zusammen. Und zwar so, dass "die Verfolgung irgendwelcher wirtschaftlicher Sonderinteressen ausgeschlossen ist." Dieses in der Weimarer Republik übliche Kooperationsmodell kommt einer Fusion recht nahe, was auch die Vertragsdauer beweist.
Der Vertrag behält bis ins Jahr 2000 seine Gültigkeit.
Gegen eine "echte" Verschmelzung sprachen 1924 noch steuerliche Aspekte. Das Aktienkapital wurde so auf 600 Daimler und 346 Benz-Anteile festgelegt. Oberstes Gremium war ein Ausschuss und Karl Benz wurde in den Daimler-Aufsichtsrat gewählt. Ende Mai wurde die Mercedes-Benz-Automobil AG als gemeinsame Absatzorganisation gegründet. Bei der strategischen Ausrichtung blieb zunächst jeder seiner Linie treu: Während der Daimler-Vorstand nach amerikanischem Vorbild rasch für die Masse produzieren und dafür ein Stahlwerk und eine Kohlezeche aufbauen wollte, verfolgten die Benz-Manager eine vorsichtige Modernisierung. Sie wollten die Serienproduktion ausbauen. Um Kosten zu senken, sollten Bauteile hinzugekauft und die Zahl der Typen deutlich reduziert werden. Dieses Konzept setzte sich letztendlich durch. "Ein Werk sollte im Idealfall nur einen Wagen und diesen exakt durchgearbeitet in möglichst großer Serie herausbringen", lautet das Geheimrezept von Carl Jahr.
Am 28./29.Juni 1926 fusionieren dann die Daimler-Motoren-Gesellschaft
und die Benz & Cie zur Daimler-Benz AG.
Sitz der Gesellschaft ist Berlin, die Zentraverwaltung entsteht
in Untertürkheim.
Untertürkheimer Zeitung vom 03.05.2004