Der 1890 gegründeten Daimler-Motoren-Gesellschaft - kurz DMG - wird es schon Mitte des Jahrzehnts in der ersten Produktionsstätte auf dem Seelberg in Cannstatt zu eng. Das Geschäft mit Bootsmotoren und Personenwagen floriert. Erweiterungsmöglichkeiten der Baulichkeiten gibt es nicht, und so wird konkret von 1899 an nach einem geeigneten Terrain gesucht: groß genug, eine möglichst kostengünstige Fertigung aufzuziehen und genügend Fläche für künftige Erweiterungen.
Das am besten geeignete Gelände findet sich schließlich in Untertürkheim, günstig gelegen zwischen dem Neckar und der Bahnstrecke Stuttgart-Ulm. Cannstatt und Stuttgart liegen zudem fast vor der Haustür. Zumal die Gemeinde Untertürkheim die DMG mit günstigen Grundstückspreisen, dem Bau eines Anschlussgleises zum nahen Bahnhof und der Anlage einer Fabrikstraße lockt. Der Kauf der 185 000 Quadratmeter ist im Februar 1901 perfekt. Die Bauarbeiten beginnen zügig, denn die neue Fabrik soll schon 1905 bezogen werden.
Als erstes Gebäude entsteht die dringend benötigte große Schmiede, die samt dem markanten Bürogebäude mit der zur Fabrikstraße weisenden Front - der späteren Mercedesstraße - noch heute besteht. Ein Großbrand in Cannstatt in der Nacht zum 10. Juni 1903 vernichtet die Montagehalle und rund einhundert Mercedeswagen - ein gutes Viertel der Jahresproduktion. Eine Katastrophe, die alle Pläne über den Haufen wirft.
Alle Arbeiter bleiben in Lohn und Brot; benachbarte Unternehmen helfen großzügig mit Werkstätten, Werkzeug und Maschinen. Die DMG führt Doppelschichten ein, und so kann trotz der sehr provisorischen Arbeitsbedingungen bereits am 8. August der erste Mercedes wieder die Fabrik verlassen. Die Bauarbeiten laufen unterdessen fast Tag und Nacht, sodass die ersten Anlagen schon im Dezember 1903 in Betrieb gehen.
1904 wird die Produktion in den neuen Gebäuden erweitert. Die DMG beschäftigt im September in Cannstatt und Untertürkheim zusammen bereits 2200 Mitarbeiter; im Frühjahr 1903 waren es in Cannstatt noch 821. Eine Arbeiterunterstützungskasse - sie besteht bei der DMG bereits seit 1900 - bietet eine erste soziale Absicherung der Beschäftigten.
Was als Katastrophe beginnt, mündet 1905 in eine hochmoderne Fabrik mit dem Produktionsfluss unter einem Dach, mit eigenem Wasser- und Elektrizitätswerk, mit Speisesälen für Arbeiter und Angestellte, die noch "Beamte" heißen. Jenseits der Fabrikstraße entsteht 1905 eine Reparaturabteilung, die bis heute an gleicher Stelle zu finden ist.
Die letzte Maschine verlässt Anfang 1905 auf einem geschmückten Wagen das Werk der Daimler-Motoren-Gesellschaft auf dem Seelberg in Cannstatt.