Aus "Treffpunk Stuttgart" vom 17.4.2002 und Fortsetzung vom 24.4.2002
Vortrag von Dietrich Köhler zur Neueröffnung der Heimatgesch. Ausstellung Rotenberg

Untertürkheims letzter Schultheiß Eduard Fiechtner (Teil 1/4)

Vortrag von Dietrich Köhler zur Neueröffnung der Heimatgesch. Ausstellung Rotenberg

Dietrich KöhlerFoto: Dietrich Köhler, ehemaliger Pfarrer in Untertürkheim

Untertürkheim hatte und hat ausgezeich- nete Bürgermeister, intelligent und ener- gisch, bürgernah und sachbezogen - Leute, die etwas bewegten. Das darf vorab dankbar gesagt wer- den. Und Dank auch an die mit ihnen arbeitenden Gremien, vorab dem Gemeinderat.

Dass Bürgermeister Fiechtner eine besondere Rolle zukommt, hängt damit zusammen, dass er der Mann an jener Schwelle war, an welcher aus dem Weinort Untertürkheim eine Industrievorstadt geworden ist. Umbrüche solcher Art gab es vielerorts, aber Untertürkheim ragt gewiss auch deshalb heraus, weil eine der ersten Eisenbahnlinien seit 1845 das Dorf streiften, und weil sich die Daimler-Motoren- gesellschaft daselbst ansiedelte, die spätere Firma Mercedes. Man wusste bisweilen am Rande des Urwalds besser, dass es Untertürkheim gibt, als dass man von Stuttgart etwas gewusst hätte. Dann eben mit jenem Ort verband sich auch in fernen Zonen das Stichwort "Mercedes"! Untertürkheim im Umbruch, Eduard Fiechtner traf's. Und er stellte sich der Situation und zeigte sich ihr vollauf gewachsen.

Vor 123 Jahren trat er hier an. Das ist lange her. Drum gibt es keine Zeitzeugen mehr, nur Aufschriebe, auf die ich mich natürlich beziehe: Untertürkheimer Chronik, Altes Heimatbuch (Johannes Lechler) und auch einiges im Neuen Heimat- buch. Ferner hilfreich die biografischen Notizen von Eberhard Hahn. Dazu kommen meine Gespräche mit Frau Lisbeth Popp geb. Warth, die 3 Jahre alt war, als Ed. Fiechtner starb, und bei der es noch überliefertes Hörensagen vom einst nachbarlichen Schultes gibt. Ich selber danke für diesen Auftrag; er bedeutet auch mir eine Horizonterweiterung zu Untertürkheims Geschichte. Weiß man doch allemal nur von der Tatsache einer Fiechtnerstraße!

Fiechtner33 Jahre lang versah vor Fiechtner Schultheiß Mäulen das Amt. Ein bewährter Mann, der sich besonders in Notzeiten sehr der Bevölkerung annahm. Dann wurde die Stelle ausgeschrieben. Aus 15 Bewerbern wurden vier in engere Wahl gezogen.

Eduard Fiechtner gewann die Wahl mit 353 von 450 Stimmen, also ein stattlicher Erfolg für ihn.

Zuvor amtierte er als Ortsvorsteher in Fichtenberg.

Geboren wurde er am 5. März 1843 in Hürbel im Oberamt Biberach als Sohn eines Revierförsters. Wuchs aber dann in Kaisersbach im Welzheimer Wald auf, wohin der Vater versetzt wurde. Er erlernte den Verwaltungsdienst, assistierte bei verschiedenen Ortsvorstehern, ging auch für 2 Jahre in die Industrie und arbeitete in der Spinnerei und Weberei Brühl in Versand und Abrechnung. Das erweiterte seinen Blick für die Finanzen. Später konnte Betriebsleiter Weste ihn ein Finanzgenie nennen, der weitsichtige Berechnungen anstellen konnte. Das war für einen Schultheißen wichtig, bei dem durch die Industrie die Zahlen in Einnahme und Ausgabe mächtig anschwollen. Der Gebäudekataster stieg damals von 3,6 Mill. Mark anno 1880 auf 11,1 Mill. Mark im Jahr 1904.

Das Forsthaus in Hürbel Landkreis Biberach