Magazin zur Bosch-Geschichte 2005 von Vera Dendler
Eher zufällig begann Eugen Bauer vor 100 Jahren
in Stuttgart, sich auf einem Gebiet zu spezialisieren, das zwar noch
in den Kinderschuhen
steckte, dessen Entwicklungs- möglichkeiten jedoch bereits
zu erahnen waren: der Wiedergabetechnik von Filmen.
Der
gelernte Feinmechaniker Eugen Bauer hatte zunächst
gar nicht die Absicht gehabt, mit der Entwicklung und
Produktion von Filmprojektoren auf den Markt zu gehen.
Allein der Instandsetzung und Reparatur feinmechanischer
Geräte galt sein Interesse. Bis ihn eines Tages der erste
Stuttgarter Kinobesitzer Felix Bayer aufsuchte, um seinen
französischen Filmprojektor von Pathé, damals der alleinige
Projektorlieferant auf dem Markt, reparieren zu lassen. Die
Instandsetzung gelang unerwartet gut, so dass Bauer den
Vorschlag von Bayer aufgriff und selbst mit der Entwicklung
und Herstellung von Filmprojektoren begann.
Als die Bilder laufen lernten
Zu dieser Zeit begann die damals neue „Laufbildtechnik“
ganz allmählich, sich zu einem wirtschaftlich interessanten
Geschäftszweig zu entwickeln. 1893 hatte Edison in den
USA sein Kinetoskop erfunden, eine rotierende Schlitzscheibe,
durch die eine Glühbirne den laufenden Film
beleuchtete. Zwei Jahre später stellten die Gebrüder
Lumière aus Lyon Aufnahme- und Vorführgeräte vor, mit
denen sie erste öffentliche Filmvorführungen in Frankreich
veranstalteten. 1896 gelang Oskar Meßter in Berlin die
Konstruktion von Film-Kopiermaschinen. Auch in Stuttgart
war das neue Medium kein unbekanntes: 1896 ließ sich
König Wilhelm II. auf der elektrotechnischen Ausstellung
an der Spitze seiner Königsdragoner filmen. Damals eine
Sensation, die man vor allem in den Schaubuden des
Cannstatter Volksfestes zu sehen bekam. Im Jahr 1907
schließlich eröffnete Felix Bayer mit dem „Kinematograph
International“ das erste Filmtheater in Stuttgart. Ihm
folgten bereits ein Jahr später drei weitere Filmtheater.
Vom Wäschekorb zur Spule
Ebenfalls 1907 konstruierte Bauer seinen ersten Film-
Projektor. Der Erfolg blieb nicht aus, so dass er bereits im
darauffolgenden Jahr Aufträge für die Ausstattung zweier
weiterer Kinos erhielt. Die Bauer-Projektoren überzeugten
nicht nur durch ihre Zuverlässigkeit, sondern besaßen
zudem eine entscheidende Verbesserung: lief bei bisherigen
Projektoren der abgedrehte Film noch in einen
unter dem Projektor stehenden Wäschekorb, so wurde
der Film nun auf eine Spule gewickelt. 1914 brachte Bauer
sein drittes Modell auf den Markt, das sich durch die
Verkapselung der empfindlichen Getriebeteile und ein
angebautes Diagerät auszeichnete, einer sogenannten
Dialux-Einrichtung zur Vorführung von Werbepositiven.
Unterbrechung und Neubeginn
Zu diesem Zeitpunkt hatte Bauer bereits zehn Angestellte
und Mechaniker und lieferte weit über Württemberg
hinaus, neben Deutschland auch in andere europäische
Länder.
Der Erste Weltkrieg bedeutete einen dramatischen
Einbruch in der Entwicklung der Kinematografie: Die
meisten Firmen überlebten diese Zeit nicht, ebenso
musste Bauer den jähen Stopp der rasanten Entwicklung
seines Unternehmens hinnehmen: Die Werkstatt wurde
für Rüstungszwecke verwendet und Eugen Bauer zum
Wehrdienst eingezogen. Bereits 1919 ging Bauer daran,
seine Firma wiederaufzubauen. Es begann eine weitere Ära von Weiter-
und Neuentwicklungen im Bereich der Kinoprojektoren. So gelang ihm mit
dem 1925 entwickelten
Linksprojektor abermals ein großer Wurf: Die Maschine erlaubte
weltweit erstmalig die pausenlose Vorführung eines
Films über zwei Projektoren, einer Rechts- und einer spiegelbildlich
gebauten Linksmaschine und konnte von nur einem
Mann bedient werden!
Mittlerweile waren die Fabrikräume in der Gartenstrasse
zu klein geworden. Die Umsiedelung der Firma in die
Paulinenstrasse 1924 brachte jedoch nur kurzfristig eine
Verbesserung der Situation, so dass Bauer seine Fabrik 1928 von Stuttgart ins nahegelegene Untertürkheim verlegte.
Gleichzeitig wandelte er die Firma in eine GmbH um.
Meisterstücke und eine Übernahme
1928 war auch das Jahr, in dem der Tonfilm den Stummfilm
ablöste. Statt wie bisher von einem Klavier, wurden die Filme
nun von einer Schallplatte begleitet. Dies brachte jedoch
enorme Synchronisationsprobleme von Bild und Ton mit sich.
Eugen Bauer und ein Teil seiner 65 Mitarbeiter entwickelten
mit dem „Nadeltongerät“ die Lösung des Problems.
Das „Nadeltongerät“ erlaubte die synchrone Abspielung
von Filmprojektor und Plattenteller. Mit der weiteren Entwicklung des
Lichttonfilms gelang es schließlich, den Ton direkt auf den
Film aufzuzeichnen.
Mittlerweile war Bauer zum Marktführer im Bereich Kino-Filmprojektoren
geworden und exportierte circa 75 Prozent der Erzeugnisse ins Ausland.
Für Bosch war die Eugen Bauer
GmbH damit attraktiv genug, sie im Zuge der Diversifizierungs- bestrebungen
von 1932 an nach und nach zu erwerben.
Als
Bosch-Tochter war sie nun unter dem Namen „Kinobauer“
bekannt.
Der Erwerb durch Bosch brachte der Firma neue
Impulse. Kinomaschinen für unterschiedliche Filmtheatergrößen
wurden produziert und unter markanten Namen wie „Standard 5“, „Standard
7“ und „Super 7“ auf
den Markt
gebracht; transportable Koffer-Kinomaschinen, wie die „Sonolux
I“ und die „Sonolux II“ bedienten
Schulen und
Wanderkinos. Immer neue Weiterentwicklungen und neue
Generationen von Filmprojektoren und deren Zuverlässigkeit
verhalfen Kinobauer schließlich zu Weltgeltung („B-Typen“).
1939 beschäftige die Firma 300 Mitarbeiter. Während des
Zweiten Weltkrieges wurde reduziert weiterproduziert,
gegen Ende des Krieges kam die Produktion jedoch ganz zum
Erliegen. Den Neuanfang nach dem Krieg nahm Bauer 1946
mit 40 Mitarbeitern in Angriff, nach der Währungsreform lief
die Produktion wieder auf vollen Touren. In den ersten Nachkriegsjahren
war Bauer in Deutschland der alleinige Hersteller
von Kinomaschinen („B8“).
Die große Zeit des deutschen Kinos
Die große Zeit des deutschen Kinos und die Erfindung des
Freilichtkinos in den 1950er Jahren brachten für Bauer erneut
den Durchbruch. Bauer-Filmprojektoren ließen unvergessene
Kino-Traumwelten über die Leinwände tanzen. Durch die
Kooperation von Bauer-Projektionstechnik mit Klangfilm-
Tonanlagen der Firma Siemens Anfang der 1950er Jahre
konnten unter dem Namen „Bauer-Klangfilm“ Hunderte von
Lichtspieltheatern ausgerüstet werden. Zahlreiche Weiterentwicklungen
und Neuerungen verhalfen zu immer grandioseren
Kinoerlebnissen, eine Entwicklung, die anhalten
sollte. Ende der 1950er Jahre setzten Bauer-Maschinen weltweit
Kino-Standard. Im Jahr 1972 präsentierte Kinobauer auf
der „photokina“ das erste lochkartengesteuerte Projektorsystem
für Lichtspieltheater (U-4 System): Es ermöglichte
eine pausenlose Filmvorführung bis zu zweieinhalb Stunden
und besaß ein Lochkarten-Lesegerät zur automatischen
Steuerung der Betriebstechnik, von der Saalverdunkelung bis
hin zur Zwischenmusik.
Vom Kino in die Stuben
Neben dem Kinomarkt war Bauer auch auf dem in den 1950er
Jahren aufblühenden Fernsehmarkt präsent. Als Zulieferer
von Laufwerken für die 16-mm- und 35-mm-Filmabtaster oder
für die Multiplexeranlagen, die von der ehemaligen Bosch-Tochtergesellschaft
Fernseh GmbH für Fernsehstudios hergestellt
wurden, spielte dieser Markt für Bauer jedoch eher eine
untergeordnete Rolle.
Die Filmkamera in der Hand
Neben dem Bereich der Profiausstattung hatte Bauer bereits
in den 1930er Jahren begonnen, sich auf dem erfolgreichen
Markt für 8-mm-Kameras für Amateure ein zweites Standbein
zu schaffen. Der Krieg verhinderte jedoch den Erfolg der
1937 auf den Markt gebrachten Kamera für die 8-mm-Movex-Cassette.
Erst nach dem Krieg sollte die Beschäftigung mit den
Amateurfilmen positiv zu Buche schlagen: 1953 brachte Bauer
die Doppelachtkamera auf den Markt. Sie und die später
entwickelten Super-8-Filmgeräte begründeten den Aufstieg
Bauers zum weltweit umsatzstärksten Amateurkamera-Hersteller
und ließen den Umsatzanteil der Amateursparte in den
1960er Jahren auf 75 Prozent klettern.
Daneben hatte man
sich bei Bauer seit Ende der 1950er Jahre um weitere Möglichkeiten
der Diversifikation bemüht und die Produktpalette um
zahlreiche weitere Erzeugnisse erweitert, wie beispielsweise
um eine eigene 35-mm-Spiegelreflexkamera, Diaprojektoren
und Blitzgeräte. In den 1970er Jahren folgte eine weitere
Expansionswelle in alle Welt. Teils wurden die Bauer-Produkte
sogar vor Ort selbst hergestellt, teils fand nur ein Vorort-Vertrieb
statt.
Der Film ist aus
Das
Ende der Erfolgsgeschichte von Bosch-Photokino kam jäh. Mit dem massenhaften Einzug des Fernsehapparats in die
privaten Stuben in den 1970er Jahren blieben auch die potenziellen
Kinobesucher lieber daheim. Ein Massensterben der
Großkinos setzte ein, das den Markt für große Kinomaschinen
dramatisch schrumpfen ließ.
Schlussendlich musste Bauer
Anfang der 1980er Jahre die Produktion von Filmprojektoren
einstellen. Ebenso brach der Absatzmarkt für Bauer im
Amateurfilmbereich seit Ende der 1970er Jahre ein, als billigere
Konkurrenzprodukte aus dem asiatischen Raum den Markt überschwemmten.
Siebzig Jahre Erfolgsgeschichte hatten somit ihr abruptes Ende gefunden.
Kinobauer reagierte auf
die Umsatzeinbrüche mit einer kompletten Restrukturierung.
Aus einer entwickelnden und produzierenden Firma wurde
eine reine Vertriebsgesellschaft, die den In- und Auslandmarkt
mit Filmprojektoren sowie Video- und Blitzgeräten belieferte.
Die Gesellschaften im Ausland wurden aufgegeben, das Untertürkheimer
Gelände wurde 1984 an die Daimler-Benz AG verkauft.
1992 schließlich wurde der Produktbereich Photokino
komplett aufgelöst.