In den Anfangszeiten
der Mercedes-Produktion war es ein Katzensprung:
Die Halle, in der die Motoren hergestellt wurden,
und die Montagehalle, in der der Motor mit
der Karosserie "verheiratet" wird, waren im
Untertürkheimer Werk nur wenige Meter
voneinander entfernt.
Heute müssen die
in Untertürkheim gefertigten Kraftpakete
für ihre "Hochzeit" eine Reise unternehmen.
Die Untertürkheimer Aggregate werden in
den deutschen Karosserie-Werken in Sindelfingen,
Bremen, Rastatt und Düsseldorf in die
Mercedes-Benz-Limousinen und Sprinter eingebaut.
Zudem werden die "Powertrains" - also die Antriebsstränge
bestehend aus Motoren, Achsen und Getriebe
- aus dem Untertürkheimer Motorenwerk
zu den Partnerwerken in der gesamten Welt exportiert.
Eine logistische Meisterleistung, die bereits
bei der Motorenfertigung seinen Anfang nimmt. "Der
Code auf dem Ladungsträger, der dem Mitarbeiter
in der Fertigung zeigt, welchen Motortyp der
Kunde wünscht, sagt uns, wohin wir das
Produkt schicken müssen. Er ordnet später
beispielsweise in Sindelfingen den Motor dem
Zielfahrzeug zu", sagt Klaus Neuer, der Leiter
der Transportlogistik im Motorenwerk Untertürkheim.
Während die Motoren für Sindelfingen
mit Lastwagen von Untertürkheim ins Karosseriewerk
gefahren werden, nutzt DaimlerChrysler für
den Transport nach Bremen seit Jahren die Schiene.
Im "Nachtsprung" rollen die bestellten Motoren
vom DUSS-Verladebahnhof an der Hafenbahnstraße
an die Weser. "Abends abgeschickt, sind die
Container mit den Motoren um 5.30 Uhr in Bremen",
sagt Neuer. Ein Zug ersetzt dabei 30 die Autobahn
verstopfende Lastwagen.
Im Überseeversand
setzt der Weltkonzern zudem auf das noch umweltfreundlichere
Schiff. Vom Stuttgarter Containerterminal (SCT)
am Ostkai werden im Linienverkehr zwei Mal
die Woche Container mit Motoren in Richtung
Rotterdam und Antwerpen auf die Reise geschickt.
Zudem trägt ein Zug DaimlerChrysler-Container
nach Bremerhaven. Von den großen Seehäfen
geht es dann über die Ozeane in die ganze
Welt: In die Chrysler-Werke nach Indiana oder
Detroit, ins Mercedes-Werk nach Tuscaloosa,
nach Mexiko, Brasilien, Südafrika oder
in die aufstrebenden Partnerwerke in Asien.
Während die Untertürkheimer beispielsweise
nach Tuscaloosa komplette, zum Einbau fertige
Motoren liefern, bestehen die asiatischen Länder
darauf, dass die Motoren in CKD-Werken (CKD
für "completely knocked down" - komplett
zerlegt) von eigenen Beschäftigten montiert
werden. "Wir liefern dazu die Teile wie bei
einem Baukastensatz mit Gebrauchsanleitung.
Im Land werden die Aggregate dann zusammengebaut",
erklärt Neuer. Ob CKD oder Komplett-Motor
insgesamt werden von Untertürkheim 11
000 Container pro Jahr nach Übersee geschickt.
Die Vorbereitungen, das Verpacken und das Ausstellen
der Zoll- und Frachtformalitäten für
die Weltreise erfolgt im Zentralversand Übersee,
der 2004 neben dem Tanklager Stuttgart eröffnet
wurde. Zunächst müssen die Motoren
konserviert werden. "Da sie auf ihrer Reise
in den Containern teilweise extremen Temperaturschwankungen
und Kondens-Nässe ausgesetzt sind, müssen
sie vor Rost geschützt werden", sagt Neuer.
Die meisten werden trocken, in speziellen Fällen
auch mit einem Wachs konserviert und in eine
spezielle Folie gehüllt.
Sicher verpackt für die Weltreise
Zudem müssen die wertvollen Stücke
transportgerecht verpackt, stoßsicher
verschnürt und rutschfest im Container
verladen werden. Schließlich müssen
sie schweren Seegang und raue Verladungspraktiken
in den Häfen schadlos überstehen.
Selbstverständlich werden die Container
für den Zoll verplombt und erhalten eine
lückenlose Transportdokumentation.
Hinter dem geregelten Betrieb in der Halle
steckt eine logistische Herausforderung. Die
Fahrt des Containerschiffs über den Neckar
und Rhein zu den Seehäfen in Belgien und
Holland dauert 52 Stunden. Nach Amerika benötigt
ein Ozeanriese weitere drei Wochen. Vom US-Hafen
bis ins Fertigungswerk vergehen auf dem Highway
weitere Stunden. "Wir müssen also mindestens
einem Monat vorausplanen und den Bedarf unserer
US-Partner früh kennen", sagt Neuer. Trotz
Wetterkapriolen und anderer Risiken auf der
langen Reise haben es Neuers Logistikprofis
bisher immer geschafft, dass die Untertürkheimer
Motoren rechtzeitig zum Hochzeitstermin ankommen. |