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Im Gewächshaus lernt der Automotor laufen

Von Daimlers schnelllaufenden Benzinmotor zum Silberpfeil

SERIE: DER MOTOR - HERZ DES AUTOMOBILS

Untertürkheimer Zeitung vom 26.4.2006

Stuttgart - Keine Innovation hat das Leben mehr revolutioniert als das Automobil. Karl Benz und Gottlieb Daimler brachten vor 120 Jahren unabhängig voneinander die ersten Wagen zum Rollen. Der Mensch wurde beweglicher. Basis für die Fortbewegung ist der Motor - das Herz des Automobils. In unserer Serie verfolgen wir die Meilensteine der Motorentwicklung und beobachten, wie heute ein Motor entsteht.

Heute: Teil 1 - Motoren lernen laufen.

Daimlers Gewächshaus im Kurpark
Daimlers Gewächshaus im Kurpark Bad Cannstatt Foto: Enslin

Von Mathias Kuhn

Das unbekannte Knattern, das die Cannstatter 1883 vernahmen, ängstigte sie. Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach tüftelten in Daimlers Gartenhaus an einer Erfindung, die den Alltag verändern sollte: dem ersten schnelllaufenden Benzinmotor. Mit Gas-Motoren waren die beiden Pioniere früh in Berührung gekommen: 1867 stellt Nikolaus August Otto auf der Pariser Weltausstellung einen langsam laufenden, ortsfesten Zweitaktmotor vor, der von einem Gaswerk abhängig war. Otto gründet 1872 die Gasmotorenfabrik Deutz und experimentiert an einer "Hochdruckmaschine". Am 9. Mai 1876 läuft erstmals Ottos Viertakt-Motor. Daimler und sein Mitarbeiter Wilhelm Maybach sind für die Weiterentwicklung der Otto-Motoren verantwortlich - bis zum Zerwürfnis mit Otto im Jahr 1882. Mit seiner Abfindung kauft sich Daimler in Cannstatt eine Villa. Er richtet im Gewächshaus seine Werkstatt ein. Seine Vision: ein Motor, der Fahrzeuge antreibt. Statt auf Gas als Kraftstoff setzt Daimler auf Benzin. Eine weitere Neuerung bringt Daimlers 1883 patentierter Benzinmotor auf Touren: Mit der Glührohrzündung - dem Vorfahre der Zündkerze - bringt er es im Gewächshaus auf 600 Umdrehungen. Noch ist die liegende Knattermaschine zu groß.


Standuhr - Reitrad - Fotos:Enslin

Erst das kompakte Nachfolgemodell - ein stehender Motor mit geschlossenem Kurbelgehäuse - eignet sich für den Einbau in ein Fahrzeug. Wegen seiner Form wird die epochale Neuschöpfung "Standuhr" getauft. Ein Oberflächenvergaser sorgt für ein gleichbleibendes Benzin-Luft-Gemisch. Daimler baut die "Standuhr" in ein Reitrad ein - das erste Motorrad der Welt. Am 29. August 1885 wird es patentiert und im November fährt Daimlers Sohn Adolf mit dem Reitrad von Cannstatt nach Untertürkheim.Ein halbes Jahr später schlägt in Mannheim die Geburtsstunde des Autos. Karl Benz hat dort einen Benzinmotor mit elektrischer Batteriezündung entwickelt und baut seinen Vier-Takt-Motor in einen neuen Fahrzeugtyp ein: Ein Dreirad, in dem Motor, Fahrgestell und Antrieb eine Einheit bilden - der bahnbrechende Patentwagen.

Maybach erfindet Vergasertechnik

Am 29. Januar 1886 erhält dieser Urahn aller Autos das Patent, im gleichen Jahr folgt der nächste Meilenstein: Daimler baut einen 1,1 PS starken Motor in eine Kutsche ein - der erste vierrädrige Personenkraftwagen rattert über Cannstatts Pflaster. Jahr um Jahr werden Autos und Motoren fortan erwachsener: 1889 bauen Daimler und Maybach einen leistungsfähigen Motor, dessen zwei Zylinder in spitzem Winkel zueinander angeordnet sind - der erste V-Motor. 1890 läuft dann der erste Vierzylinder-Viertaktmotor aus dem Hause Daimler. Es ist ein Schiffsmotor, der bei 390 Umdrehungen pro Minute 12,3 PS leistet. Im gleichen Jahr erfindet Maybach das geschlossene Kühlsystem. 1892 befasst Maybach sich mit der Rückkühlung des Kühlwassers und seit 1893 bildet Maybachs geniale Idee eines Spritzdüsenvergasers das Vorbild der modernen Vergasertechnik. 1897 begeistert Daimler mit dem ersten Zweizylinder-Reihenmotor. Die beiden parallelstehenden Zylinder sind in einem Block gegossen. Gleichzeitig experimentiert Maybach mit dem Röhrchenkühler, der 1900 in seiner Erfindung des Bienenwabenkühlers seine Perfektion erfährt. Diese Jahrhundert-Innovation findet ab 1901 in den Fahrzeugen Einsatz, die den Ruhm der Untertürkheimer Autoschmiede in die Welt tragen: Mercedes-Automobile.
Benz Dreirad

Diesel-Motor wird konkurrenzfähig

Parallel zur Fortentwicklung der Benzinmotoren durch Daimler, Maybach und Benz forscht ein weiteres Genie: Rudolf Diesel will einen Motor mit höherem Wirkungsgrad konstruieren. Im Februar 1897 tuckert der erste brauchbare Dieselmotor bei MAN in Augsburg. "Die Maschine des 20. Jahrhunderts", jubeln Experten. Die Selbstzündermotoren benötigen allerdings viel Platz. Die wirkungsvollen Aggregate werden zunächst nur im Schiffsbau eingesetzt. Prosper L'Orange, der damalige Benz-Motorenchef, bringt die klobigen Motoren wichtige Schritte weiter. Mit seinem Vorkammerprinzip kommt er dem kompressorlosen Dieselmotor nahe, doch erst seine Erfindung eines trichterförmigen Einsatzes in der Vorkammer ebnet 1919 den Weg zum Diesel-Erfolg.

1923 präsentieren die Daimler-Motoren-Gesellschaft sowie Benz & Cie, erste konkurrierende Diesel-Lastwagen und nach der Fusion der Firmen, 1926, beginnen Mercedes-Benz-Konstrukteure gemeinsam die Entwicklung des ersten Diesel-Pkw. Er kann erst 1936 präsentiert werden: der Mercedes-Benz 260 D - eine technische Sensation mit geringem Verbrauch. Zeitgleich sorgen weitere Mercedes-Benz Wagen für Furore: die berühmten Silberpfeile. Die mit Kompressormotoren ausgestatteten Rennwagen sind unschlagbar. Aus Daimlers "Standuhr" mit 0,5 PS, der den Reitwagen mit 12 Stundenkilometer bewegte, hat sich in 50 Jahren ein imposanter Achtzylinder-Motor mit 500 PS entwickelt, der die Silberpfeile auf 300 Stundenkilometer beschleunigt.

Zu Lande, zu Wasser, und in der Luft

Artikel aus der STZ - NECKAR vom 12.11.2010

Bad Cannstatt
Vor 125 Jahren hat die Geschichte des Automobils begonnen-mit einer Motorradfahrt.

Von Lukas Jenkner

Der Termin ist schlau gewählt: Am 10. November 1885 sind die Straßen Cannstatts und Untertürkheims halbwegs leer, weil sich alle Welt versammelt hat, um Friedrich Schillers Geburtstag zu feiern. Wenn der Versuch schief geht, fällt es wenigstens nicht allzu sehr auf, haben sich Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach womöglich gedacht. An jenem Tag soll nun an die Öffentlichkeit, woran sie unter strengster Geheimhaltung in der kleinen Werkstatt nahe der Daimler-Villa und des Kursaals gearbeitet haben: Ein mit einem Benzinmotor ausgestatteter Reitwagen, den Daimlers 16 Jahre alter Sohn Paul von Cannstatt nach Untertürkheim lenken soll.


Reitwagen
Reitwagen-Patent 1885 von Gottlieb Daimler

"Es war Paul und nicht Adolf", sagt Gunter Haug. Der gebürtige Cannstatter, der in Untertürkheim aufgewachsen ist, hat eine Romanbiographie über Gottlieb Daimler verfasst, dafür im Konzernarchiv in Untertürkheim recherchiert und unter anderem herausgefunden, dass nicht, wie die vergangenen hundert Jahre behauptet, Adolf gefahren ist, sondern Paul. Jener Junior, sagt Haug, habe später die Anekdote erzählt, dass er mit der "Höllenmaschine" auf dem Untertürkheimer Bahnhofsvorplatz endlos im Kreis gefahren sei, bis das Benzin alle war - er habe einfach nicht gewusst, wie der Reitwagen abzustellen gewesen sei. Erzählt wird außerdem, dass die Fahrt im Wortsinn ziemlich "heiß" gewesen sein soll, weil der Daimlersche Benzinmotor unter dem Sitz eingebaut worden war.

ReitwagenDass sich Gottlieb Daimler ausgerechnet in Bad Cannstatt ansiedelte, nachdem er sich in Köln beim Motorenhersteller Deutz mit Nicolaus Otto überworfen hatte, verdankt die Bäderstadt ihren Mineralquellen, erzählt Hans Betsch, der Vorsitzende des Vereins Pro Alt Cannstatt. Das heilende Wasser und die große Zahl am Ort ansässiger Ärzte habe Gottlieb Daimler im Jahr 1882 nach Cannstatt gelockt.

In der dortigen Versuchswerkstatt ging es dann zügig voran, auch wenn der Weg steinig war. "Da sind ihm und Wilhelm Maybach manches Mal die Fetzen um die Ohren geflogen", sagt Betsch. Doch 1885 war Daimler seinem Ziel, einem kleinen, schnell laufenden und überall einsetzbaren Verbrennungsmotor, so nahe, dass er einen Motor versuchsweise in einen Reitwagen einbaute. Der Rest ist Geschichte, die drei Kilometer lange Fahrt von Daimler Junior, die am Werkstatthaus begann und in Untertürkheim endete, war ein voller Erfolg. Obwohl die Straßen ziemlich leer waren, erzählt der Buchautor Gunter Haug, habe das laute und stinkende Gefährt wohl doch kein geringes Aufsehen erregt. Die schwarzen Rauchwolken seien kaum zu übersehen gewesen. Anfänglich, als die Obrigkeit in den motorisierten Gefährten vor allem ein öffentliches Ärgernis sah, benötigte Daimler für jede weitere Fahrt eine polizeiliche Genehmigung.

Dies motivierte den Erfinder, seinen Motor auch in ein Boot einzubauen, mit dem er ungehindert auf dem Neckar schippern konnte. Und in die Luft fand der Motor seinen Weg ebenfalls: Am 10. August 1888 stieg am Seelberg in Cannstatt zum ersten Mal ein Ballon mit Gondel auf, unter dem ein Daimler-Motor tuckerte. Die Historiker Olaf Schulze und Manfred Schmid, die die im Sommer gelaufene Ausstellung "Vom Wasen zum Mars" konzipiert hatten, sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich um die Geburtsstunde der motorisierten Luftfahrt handelte. "Zu Lande, zu Wasser und in der Luft sollten Daimler-Motoren im Einsatz sein", sagt Hans Betsch. Darauf beziehen sich die drei Zacken im Stern, der schließlich zum Markenlogo von Daimler wurde.

Bereits 1887 hatte Gottlieb Daimler seine Fabrik in Cannstatt gegründet, die 1890 in Schwierigkeiten geriet, weil sie nicht genügend Fahrzeuge liefern konnte. Allerdings dauert es noch 14 Jahre, bis 1904 das Motorenwerk in Untertürkheim offiziell seinen Betrieb aufnahm - mit dem Umzug der Verwaltung von Cannstatt nach Untertürkheim. Produziert wurde in dem heutigen Stammwerk bereits von Dezember 1903 an, nachdem im Juni die Montagehalle in Cannstatt niedergebrannt war und 90 produzierte Fahrzeuge ein Raub der Flammen geworden waren.

Die schwäbische Zähigkeit im hellsten Lichte"

Artikel aus der STZ-NECKAR vom 12.11.2010
Untertürkheim - Das Stammwerk des Autoherstellers Daimler hat eine stürmische Entstehungsgeschichte.
1906
Werk Untertürkheim 1911

Von Lukas Jenkner - Das ist zunächst anders gedacht gewesen: Nachdem die Daimler-Montagehalle in Cannstatt niedergebrannt war, stand das Unternehmen kurz vor dem Aus. Immerhin bedeuteten die rund 90 zerstörten Wagen fast ein Viertel der Jahresproduktion. Doch in der Not zeigte sich "die schwäbische Zähigkeit in hellstem Lichte", wie es Otto Salzer, ein aus Möglingen (Kreis Ludwigsburg) stammender Rennfahrer, später in seinen Erinnerungen schrieb. Salzer war 1896 in die Daimlerschen Werkstätten eingetreten und hatte erst als Schlosser gearbeitet.

Von einer Autofabrik war man damals noch weit entfernt: "Den Begriff der Montageabteilung von damals darf man dabei natürlich nicht vergleichen mit der heutigen Fließbandfabrikation, vielmehr wurden seinerzeit immer höchstens drei Wagen neu aufgelegt, und nebenher waren an etwa zehn Wagen Überholungsarbeiten, Reparaturen und Versuche durchzuführen", schreibt Salzer. Wenige Jahre später sah das schon ganz anders aus, in Cannstatt wurde es zu eng und in Untertürkheim sollte es aufwärts gehen. Doch vor dem Aufstieg kam die Katastrophe, die von der Firmenleitung und der Belegschaft mit großem Einsatz und viel Improvisationstalent bewältigt wurde. Benachbarte Firmen halfen mit Werkzeug und Maschinen aus, die Arbeiter leisteten Doppelschichten, die Bauarbeiten in Untertürkheim liefen Tag und Nacht. Die gewaltige Anstrengung zahlte sich aus: Daimler bewältigte die erste ernsthafte Krise drei Jahre nach dem Tod des Gründers mit Bravour.

Danach ging es stürmisch weiter: Bereits im September 1904 hatte sich die Zahl der Mitarbeiter auf 2200 mehr als verdoppelt, noch prägte Handarbeit das Bild in den Montagehallen. Vom Fließband war man ebenso weit entfernt wie von der 35-Stunden-Woche: Nach einem Arbeitskampf im April 1906 reduzierte sich die tägliche Arbeitszeit von zehn auf neun Stunden - von Montag bis Samstag.

1930
Werk Untertürkheim 1930 - Schmiede und Seifenfabrik(rechts)

Heute zählt das Untertürkheimer Stammwerk einschließlich sechs weiterer Werksteile unter anderem in Bad Cannstatt, Hedelfingen und Esslingen zu den wichtigsten Standorten des Konzerns, seit 2005 sitzt dort auch die Zentrale. Die einst 185 000 Quadratmeter große Fläche hat sich auf 2,1 Millionen Quadratmeter, von denen eine gute Million bebaut ist, vergrößert. Die 17 000 Mitarbeiter (Stand Ende 2009) fertigen 710 000 Motoren sowie 520 000 Hinter- und 509 000 Vorderachsen. Außerdem verlassen rund 920 000 Getriebe im Jahr das Werksgelände.

SERIE: DER MOTOR - HERZ DES AUTOMOBILS

Folge 1: Von Daimlers schnelllaufenden Benzinmotor zum Silberpfeil
Folge 2: Benzineinspritzer bringt Silberpfeile auf Erfolgsspur zurück
Folge 3: Am PC entstehen dreidimensionale Modelle
Folge 4: Prototypen werden auf Herz und Nieren geprüft
Folge 5: Ausgereifte Werkzeuge garantieren optimalen Guss
Folge 6: Jeder Motor ist ein Individuum
Folge 7: Zylinderkopf und Kurbelgehäuse feiern "Verlobung"
Folge 8: Motor wird auf Herz und Nieren geprüft
Folge 9: Vom Neckarhafen in alle Welt
Folge 10: Vollautomatische Hochzeit mit 26 Umdrehungen
Folge 11: In Otto- und Dieselmotoren steckt noch Potenzial

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