Zylinderkopf und Kurbelgehäuse feiern "Verlobung" |
Untertürkheimer
Zeitung 28.09.2006 |
SERIE: DER MOTOR - HERZ DES AUTOMOBILS |
Folge 7: Über 40 Motorenvarianten werden im Reihenmotorenwerk
montiert -
Poka-Yoka-System verhindert Verwechslung
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Keine Innovation hat das Leben mehr revolutioniert
als das Automobil. Karl Benz und Gottlieb Daimler brachten
vor 120 Jahren unabhängig voneinander die ersten
Wagen zum Rollen. Der Mensch wurde beweglicher. Basis
für die Fortbewegung ist der Motor - das Herz
des Automobils. In unserer Serie verfolgen wir, wie
ein Motor entsteht. Von der Entwicklung bis zum Versand.
Heute: Moderne Montagelinien im Reihenmotorenwerk
Untertürkheim.
Die meisten Zylinderköpfe
aus der Gießerei in Mettingen haben einen
kurzen Weg: Für Vierzylinder-Benzinmotoren
und für Dieselaggregate mit dem Stern
endet die Reise - zunächst - im Neuen
Reihenmotorenwerk in Untertürkheim.
Dort werden täglich
bis zu 1400 Motoren zusammengebaut, getestet
und für den Versand fertig gemacht. Dabei
war vor gut einem Jahrzehnt keineswegs sicher,
dass die Motorenproduktion auch weiterhin am
traditionellen Stammsitz beheimatet bleibt.
Auf dem Werksgelände schienen sämtliche
Flächen für eine Produktionsstätte
der Zukunft aufgebraucht. In einer gemeinsamen
Kraftanstrengung gelang es, die alten Hallen
an der Benzstraße so innovativ umzugestalten,
dass die Untertürkheimer Blaumänner
keine Konkurrenz scheuen mussten:
Nur knappe
sechs Stunden vergehen vom Montagestart bis
dass das Powerpaket einbaufertig die Halle
verlässt. Die Motorvorstufen durchlaufen
dabei 25 Automatik- und 47 manuelle Stationen
inklusive vieler Teststationen. Den Anfang
macht das Kurbelgehäuse, das von Robotern
vollautomatisch auf eine Adapterplatte befestigt
wird. "Auf
einem Chip ist jetzt bereits codiert, welche
der mehr als 40 Motorvarianten gebaut wird",
berichtet Martin Scheulen, der Leiter der Montage
Benzinmotor. Reihenmotorenproduktion bedeutet
nämlich nicht, dass eine größere
Stückzahl einer Variante auf "Halde" produziert
wird, sondern die Motorenvarianten werden nach
Auftragseingang je nach Wunsch des Kunden angefertigt.
Eine logistische Meisterleistung. Sofort durchläuft
die Motor-/Adapterplatteneinheit deswegen den
ersten vollautomatischen Test. Beim "In Ordnung"-Ergebnis
wandert das Kurbelgehäuse zu den ersten
manuellen Montageplätzen. Automatisiert
wird dann wieder der Lagerdeckel aufgeschraubt. "Monotone
Arbeitsschritte und dort, wo Genauigkeit gefordert
ist, übernehmen Maschinen", sagt Scheulen.
Beim Einlegen der Kurbelwelle dürfen wieder
die Werker 'ran. "Die Mitarbeiter machen jedoch
nicht wochenlang nur die gleichen Handgriffe.
Mehrere Stationen bilden ein Team und die Mitarbeiter
bestimmen miteinander, wie oft innerhalb der
Gruppen gewechselt wird", so Scheulen.
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Minimale Toleranzgrenze
Entkoppelt
von der Prozesskette werden in der
Vormontage die Kolben gefertigt: eine
Arbeit, bei der auch ältere
Mitarbeiter an ergonomischen Arbeitsplätzen
ihre Fähigkeiten einsetzen können.
Präzision ist auch bei den Pleuel
gefragt. Die Toleranzgrenze ist minimal,
Abweichungen von der Feinheit eines
Haares sind gerade noch erlaubt:
eine Herausforderung für die
firmeneigene Schmiede. Schritt um
Schritt "reift" der Motor: Kolben,
Pleuelstangen, Steuerkette, Ölpumpe
und Ölwanne - Halbzeit. Als
nächstes feiern Kurbelgehäuse
und Zylinderköpfe "Verlobung".
Beim Einbau der Nockenwelle sind
wieder die Fähigkeiten der Mitarbeiter
gefragt. Bei mehr als 40 Motorvarianten
darf der Mitarbeiter nicht zum falschen
Bauteil greifen. Das ausgeklügelte
aus Japan importierte Poka-Yoke-System
verhindert dies.
Viele Sicherungssysteme
Der Chip am Motor "meldet", welche
Variante gebaut wird. Eine grüne
Lampe am Regal zeigt dem Mitarbeiter
dann, aus welchem "Regal" er seine
Nockenwelle nehmen muss. Greift er
dennoch daneben, unterbricht er eine
Lichtschranke und bekommt ein Warnsignal.
Damit noch nicht genug der Sicherheit.
Immer wieder wird der Motor in Kamerastationen
fotografiert und das aufgenommene Bild
mit dem vorgegebenen verglichen. Daimlers
Motto "Das Beste oder Nichts" gilt
eben auch im Reihenmotorenwerk. Immer
wieder sind Sicherungssysteme eingebaut,
kann der Mitarbeiter beispielsweise
seinen Schraubvorgang nur beenden,
wenn er tatsächlich alle zwölf
Schrauben angezogen hat und keine locker
ist. Zudem wird das Endprodukt mehreren
Prüfungen unterzogen (nächste
Folge), bevor der Motor dann von der
Benzstraße zur Verheiratung mit
der Karosserie oder zum Überseeversand
geschickt wird. |
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