16.07.2008 Untertürkheimer Zeitung
(mk) - Natürlich
fließt der Neckar seit mehreren Jahrhunderten Richtung Rhein,
als Bundeswasserstraße feiert er dieses Jahr allerdings erst
seinen 50. Geburtstag.
Am 31. März 1958 erreichte erstmals ein
Güterschiff mit einer Tragfähigkeit von 1300 Tonnen den Stuttgarter
Hafen. Kurz zuvor war der Abschnitt Marbach - Stuttgart fertig gestellt
worden. Seitdem stellt der kanalisierte Neckar neben der Schiene und
den Straßen einen immer wichtiger werdenden Verkehrsweg für
die Region Stuttgart dar.
Täglich werden 20000 Tonnen auf dem
Neckar transportiert, was einer Kilometer langen Lastwagen-Kolonne
auf der Autobahn entspräche. Nicht nur die Autobahnen werden durch
den Transport zu Wasser entlastet, sondern auch die Umwelt.
Der Schiffstransport
ist wesentlich ökologischer: Ein Frachtschiff benötigt bei
gleicher Menge 67 Prozent weniger Energie als ein Lkw.
1968 wurde der
letzte Neckarabschnitt fertig gestellt: Mit dem Durchstich bei Hedelfingen
wurde die Bundeswasserstraße bis zum Hafen Plochingen verlängert.
Der Neckar ist für Großschiffe von Plochingen nach Mannheim
auf 201 Kilometer ausgebaut. Die Schiffe überwinden auf ihrer
Fahrt einen Höhenunterschied von 161 Metern - das entspricht der
Höhe des Ulmer Münsters. 27 Neckarschleusen ermöglichen
deswegen die Neckarschifffahrt. Vier davon liegen oberhalb des Stuttgarter
Neckarhafens. Da die Schleusen 110 Meter lang und zwölf Meter
breit sind, können momentan die neuen 135 Meter langen Rheinschiffe
den Neckar nicht passieren.
Pünktlich zum Jubiläum traf das
Bundesverkehrsministerium jedoch die Entscheidung, binnen der kommenden
17 Jahre alle 27 Neckarschleusen so auszubauen, dass die 135 m langen
Binnenschiffe künftig den Neckar befahren können. Seitdem
auf dem Neckar zudem die Nachtschleusung eingeführt wurde, sind
die wichtigen Seehäfen Rotterdam und Antwerpen binnen 52 Stunden
erreichbar.
Schiff-Schiene-Straße als ideale Voraussetzung für
starke Transport- und Dienstleistungsunternehmen
Von Mathias Kuhn 16.7.2008 Untertürkheimer Zeitung
Seit 50
Jahren ist der Hafen Stuttgart das bedeutendste Güterumschlagszentrum
und eine wichtige Logistikdrehscheibe in einer der stärksten Wirtschaftsregionen
Europas. Die „Hafenromantik“ der Anfangstage des Stuttgarter
Neckarhafens ist dem pulsierenden Zeitgeist eines schlagkräftigen,
effizienten Industrie- und Handelshafens gewichen.
Haben die Hafenfirmen
in den Gründerjahren vor allem Massengüter wie Kohle, Kies
und Getreide umgeschlagen, hat sich der Standort in den Nachfolgejahren
den wirtschaftspolitischen Gegebenheiten angepasst. Er wurde zum modernen
Industriehafen umgebaut, in dem nicht nur gelagert sondern Werte geschaffen,
Produkte verarbeitet und in alle Welt transportiert werden.
Etwa 50
im gewachsenen Güterverkehrszentrum ansässige Unternehmen
mit rund 3000 Mitarbeitern bieten ein weites Feld an Dienstleistungen.
Weitere 15 000 Arbeitsplätze in der Region stehen direkt oder
indirekt mit den Unternehmen im Stuttgarter Neckarhafen in Verbindung.
Für ihre Handelsbeziehungen nutzen sie die ideale Lage und die
Infrastruktur. Als ein trimodaler Hafen verfügt er dank der Bundeswasserstraße
Neckar über beste Anschlüsse zu den wichtigen Seehäfen
an der Rheinmündung. Binnen 52 Stunden erreichen Schiffe im Linienverkehr
kostengünstig und umweltschonend die Welthäfen Rotterdam
oder Antwerpen.
Auf der Schiene schaffen spezielle Güterzüge
vom „DUSS“-Containerbahnhof oder vom Stuttgarter Container
Terminal im achtstündigen „Nachtsprung“ die Strecke
nach Hamburg und Bremerhaven. Binnenschiff und Hafenbahn bilden das
Rückgrat, die nahe Bundesstraße 10 und die Autobahnen die
Verkehrsadern der „Logistikdrehscheibe Hafen“ zu den Firmen
in einer der bedeutenden Metropolregion Europas.
Containerterminal im Stuttgarter Hafen - Fotos: Enslin
Drei Millionen Tonnen
jährlich
Knapp drei Millionen Tonnen Güter werden jährlich
umgeschlagen, wobei der Containertransport - auf der Schiene wie auf
dem Wasser - eine immer größere Bedeutung gewinnt. 56 497
Containereinheiten wurden im vergangenen Jahr umgeschlagen, etwa 56
Prozent davon verließen Stuttgart auf der Wasserstraße,
44 Prozent wurden per Zug bewältigt.
Eine wichtige Rolle spielt
die Daimler AG, die ihre Logistik und den Versand im Hafen konzentriert
hat. Motoren und Aggregate aus dem Mercedes-Benz-Werk Untertürkheim
sowie hochwertige Erzeugnisse anderer Firmen gehen vom Neckarhafen
in alle Welt. Im Gegenzug erreichen zum Weiterverarbeiten wichtige
Rohstoffe, Mineralölprodukte aber auch Baustoffe den Hafen und
werden weiterverteilt. Seit Jahren sind alle Grundstücke der Hafengesellschaft
belegt. Fast jeder Quadratmeter wird von den Hafenfirmen genutzt.
Von Mathias Kuhn 16.07.2008
Untertürkheimer Zeitung
Rund einmonatiger Transport eines Motors
mit dem Containerschiff zur „Hochzeit“ im afrikanischen
Mercedes-Benz-Werk in East London
Der Mercedes-Benz-Zentralversand im Stuttgarter Hafen spielt
eine wichtige Rolle bei Kundenbestellungen aus Übersee. Vom
Logistikzentrum am Neckar aus werden alle Motoren, Getriebe und
die restlichen Komponenten des Antriebsstranges in die Fertigungswerke
der gesamten Welt verschickt.
Mit der Bestellung entscheidet
sich der Käufer für ein individuelles Fahrzeug. Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Mercedes mit den exakt gleichen Ausstattungsdetails nochmals
auf den Straßen dieser Welt fährt, ist gering. Die Karosserie
und der Innenausbau der neuen C-Klasse als Rechtslenker werden
im afrikanischen Partnerwerk in East London, der Antriebsstrang
wird nach den speziellen Wünschen des Kunden im Mercedes-Benz-Aggregatewerk
Untertürkheim gefertigt. Dass sämtliche Komponenten zeitgerecht
in Südafrika verheiratet werden, ist eine logistische Meisterleistung.
Sie hat ihren Ursprung in einem Barcode und wird nach der Montage
im Cannstatter V-Motorenwerk, in dem der C-Klasse-Motor zusammengebaut
wird, angebracht. Er gibt Auskunft über den Produktionstag,
das Kundenwerk, die Abladestelle im Zentralversand sowie die Sachnummer.
In der Mettinger Gießerei werden die wichtigsten Motorenteile
gegossen, die relevanten Komponenten im Untertürkheimer Werk
gefertigt und spezifische Aufsätze von Zulieferern bereitgestellt.
1. Tag: Motorenproduktion
Die Motorenmontage beginnt: Im hochmodernen V-Motorenwerk benötigen
die Mitarbeiter keinen halben Tag, bis der spezielle C-Klasse-Motor
für den Südafrikaner vom Band läuft: Komplett montiert,
jeder Arbeitsschritt überprüft und am Ende auf Herz und
Nieren getestet, wartet das Meisterstück schwäbischer Ingenieurskunst
auf den Abtransport.
Nächste Station: der Mercedes-Benz-Zentralversand im Neckarhafen.
Auf einem Teil des Ölhafens weihte Daimler vor vier Jahren die
erste Baustufe des Zentralversands ein. Anfang dieses Jahres wurde
der Erweiterungsbau auf der ehemaligen Shell-Insel in Betrieb genommen.
Mitten im Herzen der Werkteile im Neckartal und nur einen Katzensprung
von Stuttgarter Containerterminal (SCT) entfernt, konzentriert Daimler
auf dem etwa 70 000 Quadratmeter großen Grundstück den
Versand für die nationalen und internationalen Werke. Ideale
Voraussetzungen, die kein Mitkonkurrent aufweist. Das Untertürkheimer
Werk hat vergangenes Jahr etwa eine Million Motoren, 1,3 Millionen
Achsen und Getriebe für mehr als eine Million Fahrzeuge produziert.
Für viele beginnt die Reise im Mercedes-Benz-Zentralversand.
Auch für den C-Klasse-Motor für Südafrika. Bevor es
auf die Weltreise geht, wird das Silberstück aus Untertürkheim
für die strapaziöse Schiffspassage fit gemacht.
2. Tag: Konservierung für die Reise
Auf seiner Fahrt auf hoher See ist er extremen Temperaturschwankungen
und Kondenswasserbildung im Container ausgesetzt. Deswegen wird er
mit einer konservierenden Ölschicht besprüht, die Korrosion
vereitelt sowie in eine Schutzfolie eingehüllt. „Während
der Reise dampfen aus der Folie spezielle Stoffe aus, die die Rostbildung
zusätzlich verhindern“, erklärt Klaus Neuer, Leiter
Transportlogistik bei Daimler. So verpackt, wird der bestellte Motor
mit zwei anderen Motoren für Südafrika auf einen Metallladungsträger
befestigt. Die Motoren bekommen keine Dreierkabine mit Meerblick
für ihre Fahrt um die halbe Welt, sondern einen stoß-
und rutschfesten Platz in einem dunklen Überseecontainer. Zentralversandmitarbeiter
stapeln Ladungsträger über und neben den Ladungsträgern
vorsichtig in die überdimensionale Überseekiste. Der Platz
in den Containern ist perfekt genutzt, die Ladung sicher verschnürt,
weder hoher Seegang noch die rauen Verlademethoden in den Häfen
können dem Untertürkheimer Motor etwas anhaben.
3.Tag: Neckarschifffahrt beginnt
Der Code weist dem Motor den Weg zum richtigen Ladungsträger
und von dort in den richtigen Container. Die Daimler-Planer wissen
jederzeit, auf welcher Etappe der Reise er sich befindet. Bevor der
Logistiksteuerer den Container verplombt, werden die Zoll- und Transportdokumente
fertig gemacht und beigelegt. An der Andockstation wartet bereits
der Lastwagen. Von der Anlieferung des C-Klasse-Motors bis zur Verladung
vergeht im Normalfall kein Tag.
Die nächste Zwischenstation auf der Reise nach East London
ist das Stuttgarter Container Terminal - etwa 200 Meter per LKW.
Zweimal in der Woche verlässt von Stuttgarter Containerterminal
ein Containerlinienschiff den Neckarhafen in Richtung Rotterdam und
Antwerpen. Vorbei an Weinberghängen, an Heilbronn und Mannheim
biegt das Schiff auf dem Rhein ein und steuert Europas größte
Seehäfen . Vom Stuttgarter Neckarhafen bis an die Rheinmündung
in Antwerpen benötigt es 52 Stunden.
10. Tag: Von Antwerpen aufs Meer
Durchschnittlich weitere 50 Stunden hat der C-Klasse-Motor Verschnaufpause
für das Abladen vom kleinen Binnenschiff und das Beladen der
Container auf ein großes Überseecontainerschiff. Die exklusive
22-tägige Kreuzfahrt beginnt: Durch den Kanal in zwei Tagen
nach Le Havre und weitere vier Tage bis Lissabon. Von dort geht es
nonstop an der Ostküste Afrikas entlang auf hoher See nach Kapstadt
und um das Kap der guten Hoffnung in den Hafen von East London. Nach 22
Tagen auf dem Meer benötigt der Motor nur noch einen
Tag per Lastwagen ins südafrikanische Mercedes-Benz Fahrzeugwerk.
Dort erscheint der schwäbische Meisterstück dank der Untertürkheimer
Logistikprofis pünktlich und bestens präpariert zum Hochzeitstermin,
dem Einbau des Motors in die Karosserie - etwa 33 Tage, nachdem er
im Cannstatter V-Motorenwerk gebaut wurde.