18.06.2008 Untertürkheimer Zeitung
UNTERTüRKHEIM: Schleusen werden
für moderne Schiffe ausgebaut -
Enormer Aufschwung der Containerschifffahrt
Von Mathias Kuhn
Als Bundespräsident Theodor Heuss vor 50 Jahren
das Band an der Untertürkheimer Schleuse durchschnitt, erfüllte
sich ein Jahrhunderte alter Wunsch: Stuttgart wurde Hafenstadt. Heute
werden etwa 2,5 Millionen Tonnen im Neckarhafen umgeschlagen. In unserer
Serie blicken wir zurück auf 50 Jahre Hafen Stuttgart und zeigen
die wichtigsten Etappen der Entwicklung auf.
Seit Jahrhunderten kämpfen
Neckarschiffer dafür, dass ihre Wasserstraße zeitgemäß ist.
2007 erfolgte der Startschuss für ein Jahrhundertprojekt. In den
kommenden 17 Jahren sollen Wehre für die Zukunft fit und 27 Schleusen
zwischen Plochingen und Mannheim „gestreckt“ werden. Sie
werden von 105 Meter auf eine Länge gebracht, damit die neue Generation
von 135-Meter-Schiffen den Neckar befahren kann. „Wir sind doch
durch die Längenbeschränkung auf dem Neckar von der normalen
Entwicklung abgehängt“, ärgert sich Dirk Götz von
der Reederei Götz in Neckarsteinach seit Jahren.
Containerterminal im Stuttgarter Hafen - Fotos: Enslin
Während die
Partikuliere auf dem Rhein und anderen europäischen Flüssen
mit 135 Meter langen Schiffen verkehren können, muss der Neckarschiffer
auf maximal 105 Meter lange Fracht- oder Containerschiffe setzen. Der
Grund: Die vor mehr als 50 Jahren erbauten Neckarschleusen sind nur etwa
110 Meter lang. Die Industrie- und Handelskammer, Wirtschaft und Unternehmen
in den Neckarhäfen fordern seit zehn Jahren, die Neckarschleusen
endlich auch auf das Normalmaß auszubauen. Nun erkannte auch das
Bundesverkehrsministerium, dass nicht nur Autobahnen oder Schienenstrecken
sondern auch die Bundeswasserstraße Neckar für die steigenden
Transportmengen fit gemacht werden muss.
Eine Untersuchung prognostiziert,
dass das Güteraufkommen auf dem Neckar von heute rund 8 Millionen
Tonnen bis 2025 auf über 12 Millionen Tonnen steigen wird. Noch
gravierender soll der Anstieg bei den Containertransporten sein: Von
20 000 Stück auf über 65 000 Einheiten. Ende 2007 erfolgte
der Startschuss für das Jahrhundertprojekt Schleusenverlängerung.
Experten planen bereits den Ausbau, bis 2025 sollen alle 27 Schleusen
das gewünschte Gardemaß besitzen. 150 Millionen Euro fließen
in die Verlängerung, weitere 225 Millionen Euro steckt der Bund
in die Ertüchtigung und Sanierung der teilweise mehr als 80 Jahre
alten Schleusen. Außerdem müssen die Wehre instandgesetzt
werden, wie es momentan in Untertürkheim geschieht. Der nächste
Patient wird die Cannstatter Schleuse sein. Die Wassermaßen haben
in den Jahrzehnten ihre Spuren hinterlassen. Von 2012 an wird zunächst
eine Schleusenkammer generalüberholt, die zweite dann verlängert.
Schiff ersetzt Lkw-Schlange
Aufwändige Erneuerungen, die allerdings
dem europaweiten Trend zum 135-Meter-Schiff Rechnung tragen. „Durch
die Streckung von 105 auf 135 Meter erhält man 30 Prozent mehr Ladekapazität,
es werden allerdings nur zehn Prozent mehr Energie verbraucht. Die Rechnung
ist einfach: Der Schiffseigner hat dadurch 20 Prozent mehr Kostenvorteile“,
erklärt Walter Braun , der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamts
Stuttgart. Der Schiffsumbau zu einem zeitgemäßen 135-Meter-Schiff
funktioniere einfach: Das Schiff wird auseinandergesägt und ein
Stück eingesetzt. Die Kosten seien schnell amortisiert. Doch Braun
verweist nicht nur auf den wirtschaftlichen sondern auch auf den ökologischen
Nutzen für alle. „Wenn auf dem Neckar ein 2000-Tonnen-Schiff
leise vorüber fährt, ist das ein erholsames Erlebnis. Seine
Fracht entspricht einer Lastwagenschlange von zehn Kilometern Länge,
die mit 80 Stundenkilometer über die Autobahn brettert“, erklärt
Braun. Auch aus diesem Grund drückt Baden-Württenbergs Ministerpräsident
Günter Oettinger aufs Gas.
In seiner Festrede zum 40-jährigen
Bestehen des Plochinger Hafens regte er an, dass das Jahrhundertwerk
bereits in 15 Jahren beendet sein soll. Schließlich profitieren
die Neckarhäfen von der Verlängerung. Das Stuttgarter Container
Terminal bestätigt jetzt bereits die Langfristprognose. Gerade der
Transport vom Neckarhafen nach Antwerpen und Rotterdam steige ständig.
In den ersten Monaten dieses Jahres verzeichnete Hafenchef Bernd Schopf
einen Anstieg von fast 20 Prozent. „Obwohl wir vor wenigen Jahren
das Terminal erweitert haben, müssen wir bereits wieder über
Möglichkeiten nachdenken, wie wir die Kapazität des Containerterminals
steigern können“, blickt Schopf auch dank der geplanten Schleusenverlängerung
positiv in die Zukunft.