25.06.2008 Untertürkheimer Zeitung - TEIL 2
UNTERTÜRKHEIM: Für
34 Millionen Mark entsteht der neue Umschlagplatz -
Neckaridylle wird
zu moderner Industrielandschaft
Von Mathias Kuhn
Als Bundespräsident
Theodor Heuss vor 50 Jahren das Band an der Untertürkheimer Schleuse
durchschnitt, erfüllte sich ein Jahrhunderte alter Wunsch: Stuttgart
wurde Hafenstadt. Heute werden etwa 2,5 Millionen Tonnen im Neckarhafen
umgeschlagen. In unserer Serie blicken wir zurück auf 50 Jahre
Hafen Stuttgart und zeigen die wichtigsten Etappen der Entwicklung
auf.
Solch einen Ansturm wie an jenem bitterkalten 31. März 1958
hat der Stuttgarter Neckarhafen bisher nicht mehr erlebt. Mehrere Zehntausend
Menschen kamen zur Einweihung vom neuen Stolz der jungen Landeshauptstadt.
Er verbindet Stuttgart auf dem Wasserweg mit den Industriezentren im
Ruhrgebiet sowie über die Überseehäfen im Rheinmündungsgebiet
mit der gesamten Welt. In Zehnerreihen standen die Bürgerinnen
und Bürger auf den Brücken und an den Kais.
Die großen
Krane und die Binnenschiffe mit Kohle-, Getreide- oder Sandbergen im
Bauch waren ein Zeichen der Wiederaufbaujahre, Theodor Heuss‘ Scherenschnitt
durch das schwarz-rot-goldene Band kennzeichnete den Zieleinlauf einer
vier Jahrzehnte langen Planungs- und Bauzeit.
1920 beschloss die deutsche
Nationalversammlung die „sofortige Einleitung der Bauarbeiten
am Neckarkanal von Mannheim bis Plochingen.“ In den Nachfolgejahren
wird der Fluss für die Schifffahrt zu einer Wasserstraße
ausgebaut, Staustufen und Neckarbrücken errichtet. Bis 1935 wird
der 113 Kilometer lange Abschnitt der Bundeswasserstraße Mannheim-Heilbronn
fertiggestellt. Zeitgleich schreibt die Stadt Stuttgart im Oktober
1928 einen Wettbewerb für die künftigen Hafenanlagen aus.
48 Entwürfe gingen bis 15. März 1929 ein.
Baubeginn 1954
Der erste Preis
ging an Paul Bonatz und Architekt Scholer. Aufgrund dieser Pläne
schuf Otto Konz - zusammen mit Otto Hirsch der „Vater des Neckarhafens
- die Voraussetzung für die Schiffbarmachung des Neckar, die wegen
des Zweiten Weltkrieges jedoch ruhen mussten. Doch bereits 1949 führte
die Neckar AG die Neckarkanalisierung Richtung Stuttgart weiter.
Nach
den Planungen durch das städtische Tiefbauamt schritt am 20. September
1954 Stuttgarts damaliger Oberbürgermeister Arnulf Klett in einem
Schrebergarten am Neckarufer zum Spatenstich für den Hafen. Er
ahnte, welche Bedeutung dem Neckarhafen zukommen sollte. „Wir
müssen den Blick in die Zukunft richten und das Beste aus dem
zu machen suchen, was uns gegeben ist. Der Hafen Stuttgart wird - daran
ist kein Zweifel - unser ganzes Wirtschaftsleben stark beeinflussen
und weiter erheblich fördern“, schrieb er in einem Grußwort
an Leserinnen und Leser unserer Zeitung am Tag der Hafeneinweihung.
Er erinnerte auch an den „empfindlichen“ Verlust von wertvollem
Grund und Boden, den Wandel des idyllischen Neckartals in eine moderne
Industrielandschaft und den Umtrieb in den Neckarvororten.
Innerhalb
von 3,5 Jahren wurden 1,35 Millionen Kubikmeter Erde bewegt und 85
000 Kubikmeter Beton verbaut. Das idyllische Neckartal zwischen Ober-,
Untertürkheim, Wangen und Hedelfingen veränderte sein Aussehen.
Fruchtbare Äcker, Gärten und Sportplätze wurden zu Kaianlagen,
Industrie- und Gewerbegebiet. Ohne Berücksichtigung der Grunderwerbskosten
verschlang der erste Bauabschnitt rund 34 Millionen Mark. Die Hafen-Betriebe
investierten zudem 150 Millionen Mark in ihre neuen Firmengelände.
Noch reichte das Hafenbecken eins nur bis auf Höhe der späteren
Otto-Hirsch-Brücken und der Neckar floss noch auf der östlichen
Talseite an der Bahntrasse Untertürkheim - Esslingen.
Der zweite
Neckardurchstich bei Hedelfingen und damit der heutige Verlauf in Richtung
Plochingen erfolgte erst 1968. Zu dem Zeitpunkt hat sich Kletts Prophezeiung
längst erfüllt. Schiffe bringen Waren aus aller Welt nach
Stuttgart. Sie nehmen Produkte made in Stuttgart über die Meere,
es bildete sich eine holländische Gemeinde und „Gastarbeiterkinder“ aus
Italien drücken mit Hedelfingern die Schulbank. Der Hafen wird
zur Logistikdrehscheibe für die Region oder wie Klett vorhersagt „Stuttgarts
Tor zur Welt.“