Eßlinger Zeitung vom 22.08.2008
STUTTGART/ESSLINGEN:
Erst durch seine Schleusen
wird der Neckar schiffbar - Fernbedienzentrale in Obertürkheim
steuert sieben Anlagen
Von
Kornelius Fritz
René Krefta kann 40 Tonnen Stahl
mit seinem Zeigefinger bewegen.
Um die riesigen Tore der Neckarschleusen zu öffnen
oder zu schließen, sind nur ein paar Mausklicks nötig. Zusammen
mit seinem Kollegen Thomas Schaetz sitzt Krefta im Kontrollraum an der
Obertürkheimer Schleuse und nimmt gerade den Anruf eines ankommenden
Schiffes entgegegen: „Auf der Landseite ist eben eine Talfahrt
raus, die Kammer ist dann gleich für sie klar“, teilt er dem
Kapitän mit.
Krefta und Schaetz steuern insgesamt sieben Schleusen.
Seit 2001 ist zwischen Deizisau und Stuttgart-Hofen kein Mitarbeiter
mehr vor Ort. Die Schleusen werden von der Fernbedienzentrale in Obertürkheim
aus gesteuert - das spart Personal. Doch auch aus der Ferne haben die
beiden Schichtführer alles im Blick: Fünf Kameras sind in jeder
Schleuse installiert. Auf kleinen Monitoren können die beiden Mitarbeiter
in ihrem Kontrollraum genau erkennen, wenn ein Schiff zu weit nach vorne
gefahren ist oder nicht ordnungsgemäß verankert wurde. Erst
wenn alles korrekt ist, geben sie dem Computer den Befehl, dass sich
die Tore schließen und rund 11 000 Kubikmeter Wasser in die Schleusenkammer
hinein- oder wieder herausströmen.
Schifffahrt mit vielen Stopps
27 Schleusen gibt es zwischen Plochingen und Mannheim. Das ist eine
ganze Menge und führt dazu, dass Frachtschiffe für die 200 Kilometer
lange Strecke knapp zwei Tage brauchen. Doch ohne Schleusen wäre
auf dem Neckar überhaupt keine Schiffahrt möglich. „Der
Neckar wäre dann nur etwa 50 Zentimeter tief“, erklärt
der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes, Walter Braun. Die drei
Meter Wassertiefe, die nötig sind, um den Fluss mit großen
Frachtkähnen zu befahren, werden dadurch erreicht, dass man das
Wasser staut. Und so ist der Neckar im Grunde gar kein Fluss, sondern
eine Treppe mit 27 Stufen. Hinauf und hinunter kommen die Schiffe mit
Hilfe der Schleusen.
Zwischen dreieinhalb und zehneinhalb Meter Höhenunterschied
sind dabei zu überbrücken. Dass es auf dem Neckar so viele
Schleusen gibt, hat auch etwas mit Landschaftsschutz zu tun. „Die
Staustufen Oberesslingen und Esslingen hätte man theoretisch auch
zusammenfassen können“, sagt Braun. Dann hätte man sich
zwar eine Schleuse gespart, allerdings läge der Neckar ab Oberesslingen
fünf Meter tiefer. Das sähe nicht nur hässlich aus, sondern
hätte auch zur Folge, dass kein Wasser mehr durch die Esslinger
Kanäle fließen würde. Etwa fünf bis zehn Frachtschiffe
schleusen die Mitarbeiter des Wasser- und Schiffahrtsamtes jeden Tag
durch den Neckar. „Am stärksten ist der Verkehr, wenn das
Altbacher Kraftwerk mal wieder Kohle aus Rotterdam bekommt“, erzählt
Krefta. Für Schiffe mit einer Länge von bis zu 105 Metern Länge
sind die Schleusen ausgerichtet, bis zum Jahr 2025 sollen sie ausgebaut
werden, damit auch 135 Meter lange Lastkähne sie passieren können.
Damit der Güterverkehr reibungslos fließen kann, muss das
Schleusenpersonal dafür sorgen, dass die Wassertiefe möglichst
konstant bei drei Metern bleibt. Steigen die Pegel, werden die Wehre
geöffnet, bei Niedrigwasser dürfen die Schleusen nicht zu oft
betätigt werden, damit möglichst wenig Wasser abfließt. „Ein
vollbeladener Frachter liegt 2,80 Meter tief im Wasser“, erklärt
Braun. Sinke der Pegel nur um 20 Zentimeter, würde das Schiff aufsitzen, „und
dann wären wir haftbar.“
Sonntagsfahrer machen Probleme
Am
Wochenende sind hauptsächlich Yachten und Sportboote auf dem Neckar
unterwegs. „Die machen oft mehr Probleme als die großen Schiffe“,
erzählt Schichtführer Krefta. Sonntagsfahrer gibt es nämlich
nicht nur zu Land, sondern auch zu Wasser. So kann das Schleusenpersonal
von Bootsführern berichten, die mit ihrer kleinen Yacht kaum in
die breite Schleusenkammer finden oder beim Anbinden ihres Bootes immer
wieder abgetrieben werden. „Oft fehlt auch die Ortskenntnis“,
weiß Krefta.
Einmal rief ihn ein Bootsführer an, der angeblich
vor der Cannstatter Schleuse wartete, Krefta konnte ihn auf seinem
Monitor jedoch nicht entdecken. Später stellte sich heraus,
dass der Mann vor der Schleuse in Aldingen stand. Doch die Mitarbeiter
der Fernbedienzentrale haben ein Herz für Wassersportler und
legen die Regeln für
sie nicht allzu streng aus. So betätigen sie die Schleuse auch
mal für ein paar Kanufahrer, obwohl die ihre Boote eigentlich
aus dem Wasser heben und um die Schleuse herumtragen müssten.
Und die Kapitäne
kleiner Boote müssen beim Schleusen nicht unbedingt auf das nächste
große Schiff warten. Ein dritter Platz bei der vom Motoryachtverband
organisierten Wahl zur wassersport- freundlichsten Schleuse Deutschlands
war dafür der Lohn.