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Die Annastraße in Luginsland Willi Bleicher

Annastrasse
Wohnort:
Stuttgart- Luginsland
Annastraße 6
Schlotterbeck
Gedenktafel an Familie Schlotterbeck am Haus Annastraße 6

Am 30. 11. 1944 wurden Gotthilf und Maria Schlotterbeck sowie
sieben andere Personen aus Stuttgart von den "NAZIS" hingerichtet

Willi Bleicher  (1907 - 1981)
Sein Wirken als Widerstandskämpfer
  • Willi Bleicher 19451907: Willi Bleicher wird am 27. Oktober in Stuttgart-Cannstatt geboren
  • 1923: Bleicher lernt Bäcker; 1925 Gesellenprüfung
  • Er tritt der KPD bei und wird 1929 ausgeschlossen
  • 1933: Flucht vor den Nazis in die Schweiz, 1934 Rückkehr nach Stuttgart
  • 1936: Verhaftung; 1938 bis 1945 durchleidet er das KZ Buchenwald
  • 1946: Jugendsekretär der Metallgewerkschaft in Stuttgart
  • 1948: Wahl in den IG Metall-Vorstand
  • 1951: Wahl zum Ersten Bevollmächtigten in Göppingen
  • 1955: Er wird Bezirkssekretär und 1959 Bezirksleiter
  • 1972: Bleicher tritt in den Ruhestand; Franz Steinkühler wird sein Nachfolger
  • 1981: Willi Bleicher stirbt am 23. Juni 1981 in Stuttgart - sein Grab ist auf dem Steinhaldenfriedhof

Ein Kind kam durch - im KZ von Buchenwald - 29.01.1964 ∙ SWR Retro - Abendschau ∙ swr.de


Das Porträt: Willi Bleicher - 19.03.1963 ∙ SWR Retro - Abendschau ∙ swr.de

STREIK IST EINE KUNST - von Joe Bauer

Ein Beitrag über den Gewerkschafter Willi Bleicher in der gemeinsamen Samstagsbeilage "Wochenende" von StZ und StN

1.5.2016 - Von Joe Bauer

Der Stuttgarter Aktivist Peter Grohmann, 78, besaß Ende der sechziger Jahre eine Druckerei-Klitsche. Zu seinen Kunden gehörten nicht nur die SPD, illegale Kommunisten und die IG Metall, er bediente auch die linken oppositionellen Gewerkschafter um Willi Hoss und Genossen, die spätere Plakat-Gruppe bei Daimler. Eines Tages erhielt Grohmann einen Anruf aus dem Stuttgarter Gewerkschaftshaus, dem Büro des baden-württembergischen IG-Metall-Chefs Willi Bleicher, Grohmann solle zwischen den traditionellen Gewerkschaftern und den rebellierenden „Spontis“ vermitteln: „Der Willi will dich doch sofort sprechen.“ – „Wie sofort?“ – „Sofort ist sofort. Nimm Dir ein Taxi.“

Willi Bleicher BüsteEin Taxi war damals für Grohmanns Verständnis eher was für Bonzen. Doch einen Willi Bleicher ließ man nicht warten. Diesem Mann, einem begnadeten Redner mit magischer Präsenz, konnte sich kaum einer entziehen. Gleichzeitig gilt der große Gewerkschafter, 1981 im Alter von 73 Jahren gestorben, vielen auch als „widersprüchlicher Charakter“. Mal als Persönlichkeit mit weichem, zutiefst menschlichem Kern, mal als autoritärer Vorgesetzter. Unbestritten ist: Willi Bleicher war einer, dem die Kolleginnen und Kollegen schnell verziehen. Der Respekt vor dem Humanisten, dem politischen Denker und Kämpfer für die Sache der Arbeiter ist ungebrochen.

Heinz Hummler, 1932 in Stuttgart geboren, früher Betriebsratsvorsitzender der einstigen Trafo-Union in Bad Cannstatt, erlebte Bleicher in Arbeitskämpfen. „Willi hat uns gelehrt, dass es den Arbeitern nichts nützt, wenn sie im Kampf für bessere Bedingungen die besseren Argumente haben. Er sagte, es kommt auf unsere Kraft an, um unsere Interessen durchzusetzen.“

Die Sekretärin Helga Winter, 1932 geboren, arbeitete seit dem harten Arbeitskampf der Metaller 1963 in Bleichers Umfeld. „Manchmal war er etwas ruppig. Aber wir haben ihn verehrt. Er hat uns alles beigebracht. Bei uns gab es noch keine großen Konferenzen. Der Willi hatte eine Idee, wir haben uns kurz zusammengesetzt, und die Sache hat geklappt.“

Grohmann erinnert sich auch an den Gemütsmenschen Bleicher, der nachts in der Kellerschenke des Stuttgarter Gewerkschaftshauses jiddische Witze auf Schwäbisch erzählte und mit den Kollegen „Die Internationale“ sang. Die Kellerschenke wurde 2013 geschlossen, das am 1. Mai 1933 eröffnete, schon anderntags von den Nazis besetzte Gewerkschaftshaus in den vergangenen Jahren aufwändig umgebaut. An diesem Samstag wird das Gebäude an der Willi-Bleicher-Straße bei einer kleinen Feier auf den Namen Willi-Bleicher-Haus getauft.

Noch einmal also eine große Ehrung für den legendären, in Cannstatt geborenen Widerstandskämpfer und Gewerkschafter, der zu Lebzeiten von Auszeichnungen nicht viel hielt. Mit gutem Grund hat der Journalist Hermann G. Abmayr seine fundierte Willi-Bleicher-Biografie von 1992 „Wir brauchen kein Denkmal“ genannt. „Es gibt viele Legenden um Willi Bleicher“, sagt Abmayr. „Er ist nie Schlosser gewesen und hat nie, wie es lange hieß, bei Daimler gelernt, sondern eine Bäckerlehre absolviert.“ Zeit seines Lebens, sagt der Autor, habe sich Bleicher für die Gerechtigkeit eingesetzt. „Personenkult mochte er nicht. Und seine Idee vom Sozialismus war immer verbunden mit dem Humanismus. Deshalb kritisierte er auch die DDR.“

1936 wird Willi Bleicher auf dem Daimler-Gelände in Untertürkheim, wo er für eine Baufirma arbeitet, verhaftet; er ist in der Widerstandsgruppe Neckarland aktiv. Nach zwei Jahren im Gefängnis sperren die Nazis ihn ins KZ. Acht Jahre dauert seine Leidenszeit in Buchenwald, wo er die Effektenkammer mit dem Hab und Gut der Gefangenen betreut.

1944 kommt der dreijährige Stefan Jerzy Zweig mit seinem Vater im KZ an. Willi Bleicher und seine Genossen kümmern sich um den Jungen, setzen alles daran, sein Leben zu retten. Für die SS ist er ein unnützer Esser. 1964 kommt es in Stuttgart zum ersten Treffen von Stefan Jerzy Zweig und seinem Retter, inzwischen Chef der baden-württembergischen IG Metall. Die Geschichte des „Buchenwald-Kinds“ macht Schlagzeilen. Für Mythen und Irrtümer hat zuvor schon der 1958 veröffentlichte Roman „Nackt unter Wölfen“ gesorgt: Der Leipziger Schriftsteller Bruno Apitz schildert darin fiktiv die Geschichte des kleinen „Juschus“, wie Bleicher ihn nannte. Entpsprechend weicht die gleichnamige Buch-Adaption des DDR-Regisseurs Frank Beyer von 1963 von den historischen Fakten ab: Im Film wird der Junge von den Mitgliedern der Widerstandsgruppe im KZ in einem Koffer gefunden und versteckt. Sicher ist: Ohne die Hilfe Bleichers und anderer Gefangener hätte das Kind nicht überlebt.

„Onkel Willis hat Kinder sehr geliebt“, sagt Edeltraud Widmaier, die Lieblingsnichte Willi Bleichers. 1944 geboren, lebt sie heute im ehemaligem Reihenhaus ihres Onkels in der einstigen Arbeiter-Siedlung Luginsland. Im Nachbarhaus hatte einst die Familie Schlotterbeck gewohnt; auch die Schlotterebecks kämpften im Widerstand. Vater Gotthilf war einer von Bleichers politischen Lehrern. Er wurde wie fast alle Mitglieder der Gruppe von den Nazis ermordet.

Edeltraud Widmaier hat erlebt, wie Willi Bleicher zu Hause das Telefon in einen Bodenteppich einwickelte, als ihn während der großen Arbeitskämpfe 1963 und 1971 hasserfüllte Reaktionäre mit Morddrohungen heimsuchten. Der ehemalige Kommunist und spätere Sozialdemokrat, Vater von zwei Kindern, war ein Mann, der nie aufgegeben hat, auch nicht, als er gleich zu Beginn seiner Gewerkschaftskarriere den politischen Intrigen in den eigenen Reihen zum Opfer fiel. Bleicher hatte ein Klassenbewusstsein und eine politische Haltung wie kaum ein anderer. Für ihn war der Streik „eine Kunst“, die taktisch und emotional, intellektuell und intuitiv beherrscht werden musste. Darin war er Meister. Im Kampf um die Arbeiterinteressen sprach er nicht wie viele SPD-Leute von der „Sozialpartnerschaft“ mit den Unternehmern. Eines seiner berühmtesten Zitate hatte er als Junge bei einem Kupferschmied aufgeschnappt: „Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken.“

Als Taktiker beugte sich Bleicher durchaus, wenn es darum ging, selbst hauchdünne Mehrheiten im Dienst der Solidarität und Disziplin zu akzeptieren. Frei nach Lenin ging er noch den seltsamsten Pakt ein, wenn er in seinen Augen der Sache diente: In den aufreibenden Konflikten mit dem rigorosen Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer etwa riet er seinen Kollegen, nicht auf Schleyers Vergangenheit als SS-Führer einzugehen. Der Blick auf die Gegenwart, sagte er, schärfe das Bewusstsein im Arbeitskampf besser.

Das Willi-Bleicher-Haus wäre ein guter Ort, an die Geschichte seines großen Namensgebers zu erinnern und sie neu zu beleuchten.

>> Wer etwas über Willi Bleicher und ihn selbst hören will: In der Mediathek ist ein neuer 30-Minuten-Beitrag für „SWR 2 Wissen“ von Hermann Abmayr abrufbar: „Willi Bleicher: Widerstandskämpfer und Gewerkschafter“.
Hier geht es zum Radio-Beitrag: LINK SWR 2

Willi Bleicher zum 100.Geburtstag

IGM-BW - 100 Geb"Und wenn die Welt voll Teufel wär´"


Willi Bleicher

27. Oktober 1907 - 23. Juni 1981

Ein konsequentes Leben für Menschenwürde und Gerechtigkeit.
Ein Portrait von Rainer Fattmann.

>> Eine 52-seitige Broschüre zum 100. Geburtstag Willi Bleichers<<

Gratis downloaden
(PDF-Format; 1,4 MByte)

http://www.bw.igm.de/
extra/willi.bleicher/

Am 23.6.2006 jährte sich sein 25. Todestag

Vor 25 Jahren - Stuttgarter Nachrichten vom 23.6.2006

Der Tag, an dem Willi Bleicher starbWilli Bleicher

23.6.2006
Er war einer der legendären Gewerkschaftsführer in der Bundesrepublik und starb mit 73 Jahren in Stuttgart

 
Stuttgart - Vor 25 Jahren, am 23. Juni 1981, ist Willi Bleicher, einer der legendären Gewerkschaftsführer in der Bundesrepublik, in Stuttgart gestorben. 73 Jahre war Bleicher alt geworden. Wie kein anderer hat er im Südwesten als Bezirksleiter der IG Metall das Tarifgeschehen bestimmt. Die Stuttgarter Abschlüsse, erstreikt mit den straff organisierten Metallern etwa bei Daimler, Porsche, Bosch und mehreren großen Autozulieferern, hatten Pilotfunktion für das ganze Bundesgebiet. Von 1959 bis 1972 war Bleicher Chef der baden-württembergischen Metaller, bevor er seine Nachfolge an Franz Steinkühler, seinen Ziehsohn, übergab.

Als Bleicher am 29. Juni 1981 auf dem Steinhaldenfriedhof unweit seines Geburtsortes Cannstatt beerdigt wurde, ruhte in den meisten Metallbetrieben des Landes um 11 Uhr für eine Minute die Arbeit. Die Metaller im Südwesten liebten den "Willi", wie sie ihn bei Kundgebungen lauthals anfeuerten. Für die Metaller, die Bleicher persönlich kannten, war er eine Legende. In vielen Betriebsratsbüros hängt heute immer noch sein Foto. "Wenn es um eine bessere und gerechtere Welt für die Arbeiter geht", wie er selbst immer wieder sagte, ging Bleicher keiner Auseinandersetzung aus dem Weg.

Auch wenn Bleicher im Arbeitgeberlager stets als "unerbitterlicher Kämpfer" oder gar "Klassenkämpfer" galt, auch die Arbeitgeber und selbst sein schärfster Tarifkontrahent von damals, Hanns-Martin Schleyer, schätzten ihn wegen seiner Geradlinigkeit und Integrität. Der später ermordete Arbeitgeberpräsident Schleyer sagte einmal: "Wenn Bleicher in Tarifverhandlungen sein Wort gab, konnte man sich hundertprozentig darauf verlassen". Bleicher führte vor allem die großen Streiks im Südwesten, 1963 und 1971, bei denen die Arbeitgeber auch aussperrten.

Als Sohn eines Schlossermeisters in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren, absolvierte Bleicher eine Lehre als Bäcker. 1928 trat er in die Gewerkschaft ein, musste jedoch 1933 wegen seiner Gewerkschaftsarbeit in die Schweiz und nach Frankreich emigrieren. Ein Jahr später wurde Bleicher bei einem Besuch in Stuttgart verhaftet und später ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Über zehn Jahre saß Bleicher in unmenschlicher KZ-Haft, die seine Gesundheit schwer beeinträchtigte.

Der oft kompromisslose Kämpfer für die Arbeitersache war bescheiden, wenn es um seine eigene Person ging. Nicht durch ihn selbst wurde bekannt, dass er sein Leben aufs Spiel setzte, als er im Konzentrationslager Buchenwald ein jüdisches Kind über ein Jahr verbarg und durchfütterte und ihm damit das Leben rettete. Sein Engagement war echt und von Überzeugung getragen. Der DGB- Landesvorsitzende Lothar Zimmermann erklärte bei Bleichers Beerdigung, sein Kampf gegen Nazi-Diktatur und Faschismus, seine politische und menschliche Glaubwürdigkeit und sein Vertrauen in eine bessere Zukunft seien für alle Beispiel und Verpflichtung gewesen.

Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart verlieh Bleicher 1979 ihre höchste Auszeichnung: die Bürgermedaille. Stuttgarts früherer Oberbürgermeister Manfred Rommel hatte damals unter großem Beifall gesagt: "In Willi Bleicher verbindet sich das Charisma des Arbeiterführers mit der Vernunft des Sachkundigen und der Menschlichkeit dessen, der mehr Unmenschlichkeit ertragen musste, als andere". Heute erinnert in Stuttgart die Willi-Bleicher-Straße direkt am Gewerkschaftshaus in der Stadtmitte an den großen Gewerkschaftsführer.

Willi Bleicher 1907 - 1981
"Der letzte große Arbeiterführer"

Aus "METALL"- "Landesseiten Baden-Württemberg Ausgabe Oktober 1997

"Er ist bis heute Vorbild geblieben: Willi Bleicher, der frühere Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg. 1981 ist er gestorben. Am 27. Oktober 1997 wäre er 90 Jahre alt geworden.

Willi Bleicher
Bei vielen Metallerinnen und Metallern hängt Willi Bleichers Foto noch immer an der Wand - in den IG Metall-Verwaltungsstellen genauso wie in vielen Betriebsratsbüros. Häufig wird er zitiert, zum Beispiel mit: "Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren." Für die jüngeren Metallerinnen und Metaller, die ihn nicht persönlich kannten, ist er Legende. Die Älteren hat er mit seiner Persönlichkeit geprägt - bis heute. Mit einer Veranstaltung am 27. Oktober gedenkt die IG Metall dem "letzten großen deutschen Arbeiterführer", wie Willi Bleicher von vielen genannt wird.

In dem Buch "Wir brauchen kein Denkmal" faßte der Stuttgarter Journalisten Hermann G. Abmayr Leben und Wirkung Willi Bleichers in aller Widersprüchlichkeit zusammen (Silberburg-Verlag, Stuttgart). Der folgende Abschnitt daraus charakterisiert das Wesen des Gewerkschafters:

Willi Bleicher"Bleicher liebt Auftritte vor Arbeitern. Er kommt mit seinen Reden meistens hervorragend an. Beifallsstürme sind keine Seltenheit. Er packt seine Zuhörer bei ihrer Ehre, lobt ihrer Hände Arbeit und geißelt die Unternehmer, die dafür nur Spott und wenig Lohn übrig hätten. Er kann das soziale Elend der Welt so plastisch und glaubwürdig darstellen, 'daß ältere Kolleginnen manchmal Tränen der Rührung geweint haben', erinnert sich Margot Maier (seine Sekretärin, d. Red.). Sie hält Bleicher, der ein Gespür fürs Theatralische gehabt habe, 'für einen der besten Redner der damaligen Bundesrepublik'. Er sei emotionaler und glaubwürdiger gewesen als zum Beispiel Herbert Wehner, von dem die junge Sozialdemokratin auch begeistert war. Doch Wehner habe man eben 'den Politiker' angemerkt.

Bleicher wird als Redner nicht nur bewundert, sondern auch gefürchtet. Er duldet kein Zurückweichen, wenn es darum geht, die Interessen seiner Metaller und vertreten. Deshalb nimmt er wiederholt Betriebsräte aufs Korn, die nur das Wohl des Betriebs im Kopf hätten und das der Arbeiter vergäßen...

Wenn Willi Bleicher bei örtlichen Vertreter- versammlungen der IG Metall auftritt, kann er die anwesenden Betriebsräte derart beschimpfen und beleidigen, daß sie eigentlich empört den Saal verlassen müßten. Aber keiner kommt auf die Idee; im Gegenteil: die Gescholtenen applaudieren, jubeln dem Meister zu... Viele haben selbst ein schlechtes Gewissen oder zumindest ein ungutes Gefühl, wenn sie täglich mit den Unternehmern ... Kompromisse aushandeln; manche genießen Priviligien und werden deshalb schief angesehen.

Doch von niemandem würden sie sich deshalb so niedermachen lassen wie von Willi Bleicher. Ihm nehmen sie die radikale Rhetorik ab, 'denn er hat vorgelebt, was er predigt'."

Aus: IG Metall Baden-Württemberg
http://www.bw.igm.de - mr10/1997


Thema der Recherche:

Willi Bleicher - sein Wirken als Widerstandskämpfer

Dieses Referat wurde für den Geschichtswettbewerb "Denk-Mal, ein Mensch im Widerstand" des Hauses der Geschichte Baden- Württembergs angefertigt.

Willi Bleicher wurde am 27. 10. 1907 in Cannstatt bei Stuttgart geboren. Er stammte aus einer einfachen Arbeiterfamilie. Sein Vater, Paul Bleicher, hatte als Schlosser bei Daimler eine 8 - köpfige Familie zu ernähren. Da sein Vater wenig Lohn erhielt, wurde die Versorgung der Familie zum Problem; äußerst sparsame Mahlzeiten, ja sogar Hunger waren keine Seltenheit. Obwohl die Familie in bescheidenen Verhältnissen lebte, genoß er trotz der strengen Erziehung seines Elternhauses eine wohl behütete Kindheit.

1914, kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges, begann für Bleicher erst recht "der Ernst des Lebens" - er wurde eingeschult. Seine Schullaufbahn wurde von ihm als "Horror" empfunden, teils weil er von seinen Lehrern oft zu Unrecht geprügelt wurde, teils weil er des Lernens überdrüssig war. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, daß er einmal das Klassenziel nicht erreichte. Trotzdem hatte er schon früh unter seinen Freunden als Anführer einer Jugendbande das Sagen, so teilte er z. B. beim Fußballspielen die Mannschaften ein.

Der junge Bleicher lernte schon früh die Angst vor der Arbeitslosigkeit kennen, die Furcht selbst von hochqualifizierten Facharbeitern vor dem "blauen Brief", das Zittern der Mütter vor jedem Freitag. 1920 erlebte Willi Bleicher zum erstenmal bewußt, was Streik und Aussperrung für Arbeiter bedeuten können. Auch der Vater der verschuldeten Familie war damals betroffen.

1923 beginnt Willi Bleicher eine Bäckerlehre. Dort tritt er in die Gewerkschaft ein und wird bereits 1926 zum Jugendleiter ernannt. Im KJVD und auch in der KPD organisiert er sich in politischen Arbeiterbewegungen. 1929, nach seinem Ausschluß aus der KPD wegen innerparteilicher Demokratie trat er der KPO (Kommunistische Partei- Opposition) bei und unterstützte die Politik der Revolutionären Gewerkschafts Opposition (RGO).

Von 1929 bis 1933 gehörte er zu den Millionen Arbeitslosen der Weimarer Republik.
Unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers mußte der Kommunist Willi Bleicher zunächst in die Schweiz, später nach Frankreich emigrieren. Aber er wagte sich, obwohl er sich der Gefahr des Terrorregimes der NSDAP bewußt war, immer wieder in den Machtbereich der Nationalsozialisten zurück. Dies wurde ihm letztlich 1934 zum Verhängnis; er wurde von der Gestapo wegen "Gefährdung der Staatssicherheit" und "Vorbereitung zum Hochverrat" zunächst in das Gefängnis Stuttgart-Bad Cannstatt in Untersuchungshaft gebracht.

In den siebziger Jahren äußerte sich Bleicher über seine knapp zweijährige Untersuchungshaft folgendermaßen: "Ich war irgendwie mal froh, daß ich eine Bleibe hatte. Ich hatte die Emigration noch hautnah in Erinnerung, wo mich jeder lieber gehen als kommen sah. Wo ich mir jeden Tag die Frage stellte, ob ich den wieder hinter mich bringe, in einem Bett oder einem Dach. Hier hatte ich eine Zelle, die war warm, ich hatte Literatur und konnte viel lesen."

Nach seiner Verurteilung zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft wird Willi Bleicher nach Ulm verlegt. Hier erfährt er im Gegensatz zur Stuttgarter Haft eine brutale, unmenschliche Behandlung. Doch sein Leidensweg beginnt 1938 erst richtig für ihn, als er in das KZ Buchenwald eingeliefert wird.
Gleich zu Beginn lernt er dort die Schikanen und Mißhandlungen der SS - Wärter kennen. Im Lager wird er zusammen mit anderen politischen Häftlingen in Block 37 eingeteilt.

Dort lernt er Robert Siewert kennen, der Reichsleiter der KPO in Berlin war. Dieser wird im Laufe ihrer Haft zu seinem besten und wichtigsten Freund. Teilen und Solidarität wurde unter den Häftlingen groß geschrieben; Kleidungsstücke und Nahrungsmittel wurden gegenseitig ausgetauscht. Dies war bei der strengen Aufsicht - im Lager herrschte ein größerer Drill als in preußischen Kasernen - nur durch guten Gemeinschaftssinn möglich. Ferner wurde schmuggeln von einigen korrupten Wärtern gebilligt.

Willi Bleicher 1945Willi Bleicher selbst mußte schwer arbeiten. Mehrere Monate hob er Gräben für Straßenbau und Wasserleitungen aus. Anschließend verrichtete er Dachdeckerarbeiten.

Am 50. Geburtstag Adolf Hitlers wurden, als großzügige Geste des Führers angelegt, 2300 Häftlinge aus dem KZ entlassen. Unter diesen befand sich auch der bisherige Verwalter der Effektenkammer. Da sich Bleicher während seiner ganzen Lagerzeit stets als ordentlicher und gehorsamer Häftling erwiesen hatte, durfte er dessen Amt übernehmen. Da er diese Position innehielt, konnte er bedürftige Mithäftlinge mit der Kleidung verstorbener Häftlinge versorgen und fand deshalb immer mehr Anerkennung und Sympathien.

Auch in diesen schweren Jahren bewies er großes Durchhaltevermögen; er organisierte immer wieder Häftlingsrevolten, so zum Beispiel im April 1945, und er engagierte sich in der Arbeiterbewegung. Er bewies ebenso große Menschlichkeit; des öfteren unterstützte er Häftlinge, die bereits am Zusammenbrechen waren, und so rettete er diese vor dem sicheren Tod.

Sein ganzes Leben lang hindurch konnte er die Greueltaten und sinnlosen Ermordungen Gefangener nicht vergessen und verarbeiten. Auch sein Privatleben wurde durch das Naziregime zerstört, nach 11 Jahren Freundschaft teilte ihm seine Freundin Helene Beck in ihrem letzten Brief an ihn im KZ im Jahre 1940 ihre Trennung von ihm mit. Damit wurden auch seine Pläne, eine Familie zu gründen, jäh durchkreuzt.

Zweifellos seine größte Tat war die Rettung des knapp 3 - jährigen Knaben Stefan Jerzy Zweig aus Polen. Bleicher fiel der blonde Junge sofort auf, und er wußte sogleich, daß dieser das Lager nicht überleben würde, denn die SS wollte nur Arbeitssklaven und keine "nutzlosen Esser". Spontan entschied sich Bleicher, den Knaben zu verstecken, obwohl er sich bewußt war, daß er somit sein Leben aufs Spiel setzte.

Stefan Jerzy Zweig 2005Stefan Jerzy Zweig stammte aus wohlhabenden Verhältnissen. Sein Vater arbeitete als Rechtsanwalt. Zusammen mit seinem Sohn, getrennt von der restlichen Familie, wurde er nach Buchenwald eingeliefert. Dort wurden die beiden ebenfalls getrennt, und Willi Bleicher kümmerte sich um "Juschu", wie er von den Häftlingen liebevoll genannt wurde. Bleicher behandelte "Juschu", als wäre er sein eigener Sohn. Obwohl Bleicher schon an die rauhe Umgangsform gewohnt war, spielte er zärtlich und mit viel Hingabe mit dem Kleinen.

Allerdings waren die ersten Tage besonders schwierig, da das Kind schwer unter der Trennung von seinem Vater litt. Mithäftlinge warfen Bleicher Disziplinlosigkeit und Abenteurertum vor, denn er habe ohne Rücksicht auf Verluste vollendete Tatsachen geschaffen und nicht an die möglichen Folgen gedacht. Trotzdem wird "Juschu" später von allen Häftlingen geliebt. Im Herbst 1944 soll "Juschu" mit anderen Kindern zusammen nach Auschwitz gebracht werden. Er kann aber dem Schicksal entrinnen, da er in die Krankenstation wegen einer Thyphusinfektion aufgenommen wird. Vermutlich gelang es Bleicher, den zuständigen Arzt zu bestechen, so daß der Zug ohne Jerzy Zweig nach Auschwitz abfuhr.

Nach der Zerschlagung der Nazi - Diktatur und der Befreiung durch die Amerikaner verlieren sich beide aus den Augen.
Bleicher widmet sich dem Neuaufbau einer demokratischen einheitlichen Gewerkschaftsbewegung. Er distanziert sich vom Kommunismus, denn dieser sei "die falsche Linke". Er selbst bezeichnet sich nun als Sozialist.

Zweig studiert nach dem Krieg in Frankreich und wird später Kameramann beim ORF.
Die Rettung Stefan Jerzy Zweigs wurde von dem DDR - Schriftsteller Bruno Apitz in seinem Buch "Nackt unter den Wölfen" dokumentiert, das später sogar verfilmt wurde.

Bruno Apitz (l.) mit Stefan Jerzy Zweig
Photographie Buchenwald, 1964 DHM, Berlin F 66/1192

Den Gewerkschaften schloß sich Bleicher gleich nach dem Krieg wieder an. Nach kurzem Zerwürfnis mit den Metallern war Willi Bleicher seit 1958 Bezirksleiter der IG Metall für den Tarifbezirk Nordbaden und Nordwürttemberg. Als solcher bestimmte er weitgehend den Stil der Auseinandersetzungen in der Metallindustrie des Gebietes, aber auch darüber hinaus. Er vertrat rund 400.000 organisierte Metallarbeiter und galt als starker Interessenvertreter.
Altershalber trat Willi Bleicher im Oktober 1972 in den wohlverdienten Ruhestand. Mit ihm verschwand eine der markantesten Gestalten des DGB von der Bühne der aktiven Gewerkschaftspolitik.

Auch als Pensionär hat er sich noch gelegentlich zu Wort gemeldet. So warnte er zum Beispiel 1978 vor der in seinen Augen falschen Meinung, der Faschismus sei endgültig tot. Er rief zu Wachsamkeit auf und warf der Justiz vor, zuweilen wieder auf dem rechten Auge blind zu sein.
Im gleichen Jahr wurde er von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl - von - Ossietzky - Medaille ausgezeichnet.

Für seine vorbildlichen Leistungen durfte er auch auf dem "Berg des Gedenkens" in Jerusalem ein Bäumchen pflanzen - eine Ehre, die nur wenigen Deutschen zuteil wurde. Heute ist daraus ein großer Baum geworden.
Im Alter von 73 Jahren starb Willi Bleicher Ende Juni 1981 nach kurzer, schwerer Krankheit in seinem Wohnort in Stuttgart.
Willi Bleicher sollte uns heute als Vorbild dienen. Er mahnt uns stets und macht uns Mut zugleich, sich gegen den wiederaufkommenden Faschismus aufzulehnen und Unrecht zu bekämpfen. Nur so kann man

aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und verhindern, daß sich die Geschichte wiederholt!

Quellen:
Hermann G. Abmayr: "Wir brauchen kein Denkmal"

authentische Zeitungsausschnitte, erhalten vom Presse-
und Informationsamt der Bundesregierung
Verschiedene Dokumente von der Landeszentrale für politische Bildung

aus http://privat.schlund.de/m/mdbb/schule.htm


Weitere Links zu Quellen -
>> Hier weitere aktuelle Artikel zu Willi Bleicher und Stefan Jerzy Zweig >>

ANMERKUNGEN:

Im Roman "Anders" von Hans Joachim Schädlich und in einem Bericht von Jerzys Vater, Zacharias Zweig wird beschrieben, dass es sich bei dem Roman "Nackt unter Wölfen" um eine erdachte Geschichte handelt soll und keine Tatsachenerzählung sei.

Willi Bleicher soll veranlasst haben, dass statt Strefan Jerzy Zweig am 26.9.1944 ein junger Zigeuner von 16 Jahren nach Auschwitz deportiert und dort vergast wurde. Nur so konnte Jerzy gerettet werden - Jerzy hatte außerdem die offizielle Häftlingsnummer 67509 und musste daher nicht versteckt werden.
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Peter Mohr schreibt zum Roman "Anders" von Hans Joachim Schädlich:
... Nicht so ganz einleuchten will in diesem Zusammenhang das Kapitel über den Roman von Bruno Apitz Nackt unter Wölfen, der in der DDR einst zu den Standardwerken der sozialistischen Aufbauprosa zählte. Schädlich prangert Hans Joachim Schädlich an, dass dem jüdischen Kind Jerzy Zweig durch diesen Roman die Biografie geraubt wurde und so die staatstragende, antifaschistische Buchenwald-Legende entstanden ist. Das vierjährige Kind wurde zwar von kommunistischen Mithäftlingen vor dem Transport in ein Konzentrationslager bewahrt. Doch dies geschah, was der Roman verschweigt, im Austausch mit einem zwölfjährigen Zigeunerknaben, wie Schädlich richtig herausstellt. Hier soll nicht der (moralisch) fragwürdige Roman von Bruno Apitz verteidigt, sondern an den Unterschied zwischen einem Roman als Kunstform und einer Dokumentation erinnert werden. ...

Quelle: http://www.titel-forum.de/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=2725&mode=thread&order=0&thold=0

Stuttgarter Zeitung, 13.03.1999

Willi-Bleicher-Büste beim Jahresempfang des
Gewerkschaftsbundes enthülltWilli Bleicher Büste

Wenn man in Stuttgart vom Gewerkschaftshaus spricht, dann eigentlich nie ohne den Zusatz "an der Willi-Bleicher-Straße".

Dort, an der nach dem Stuttgarter Gewerkschafter und Widerstandskämpfer benannten Straße, fand man bisher den Haupteingang des DGB-Hauses, der nach dem Umbau nun um die Ecke am Gustav-Heinemann-Platz ist. "Daß wir das Gewerkschaftshaus von der Willi-Bleicher-Straße nicht abkoppeln wollen, sieht man daran, daß im neuen Haupteingang eine von Klaus Mausner geschaffene und von der IG Metall gestiftete Büste von Willi Bleicher steht", sagte Wolfgang Brach (rechts), der Vorsitzende des DGB-Kreises Stuttgart-Böblingen, gestern abend beim Jahresempfang im Gewerkschaftshaus.

Die Büste enthüllte der IG Metall-Bezirksvorsitzende Berthold Huber (links) zusammen mit Bleichers Witwe Anneliese. Huber erinnerte an den legendären Gewerkschaftsführer, der von 1958 an Bezirksleiter der IG Metall in Nordbaden und Nordwürttemberg gewesen war und einen Ruf als harter Interessenvertreter hatte.
"Für uns junge Gewerkschafter war er in den 1960er Jahren die Person, die uns ansprach", sagte Huber. Auf dem Empfang, an dem unter anderen auch Bürgermeister Dieter Blessing, der SPD-Fraktionschef Rainer Kußmaul, die Grüne Landtagsabgeordnete Birgit Bender, der katholische Prälat Bernhard Kah und der Kreishandwerksmeister Helmut Kotz teilnahmen, war natürlich der Rücktritt Lafontaines Gesprächsthema.
"Daß die Opposition jetzt jubelt, war zu erwarten", sagte Brach, "bedenklich aber stimmt, daß mit dem Rücktritt die Börse anspringt und daß die Arbeitgeber jetzt von einem Neuanfang sprechen - einem Neuanfang in ihrem Sinne?" Brach bedauerte den Rücktritt des Saarländers ausdrücklich. "Für viele von uns war er der Garant für einen Politikwechsel, und er gab uns vor allem die Zuversicht, daß Arbeitnehmerinteressen ein gewichtiger Faktor in der Politik sind", sagte er.
Wochenendbeilage 26.04.2003 Junge Welt - die tageszeitung - http://www.jungewelt.de/2003/04-26/031.php

Hans Daniel

Ein Lernprozeß ...
Willi Bleicher – der DGB Baden-Württemberg ehrte den Gewerkschafter und stiftete einen nach ihm benannten Preis

Am Freitag ist im Mannheimer Gewerkschaftshaus erstmals der »Willi-Bleicher-Preis« verliehen worden. Der DGB-Landesbezirk Baden-Württemberg hat ihn für vorbildliches Engagement gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus und für ein friedliches Zusammenleben gestiftet. Der Preis erinnert an den am 23. Juni 1981 verstorbenen IG-Metall-Funktionär Willi Bleicher, der noch heute als »eine der markantesten Gestalten des DGB« gilt. Mit Grauen erinnert man sich in Unternehmerkreisen, mit Respekt und Hochachtung dagegen in den Gewerkschaften an seine herausragende Rolle bei einem der größten Arbeitskämpfe in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik. Vor 40 Jahren, im April/Mai 1963, hatten 100000 Metallarbeiter Baden-Württembergs zur Durchsetzung ihrer Lohnforderungen die Arbeit niedergelegt. Die Unternehmer antworteten mit der Aussperrung von 400000 Metallarbeitern. Bleicher, am 27. Oktober 1907 in Stuttgart geboren, war zu dieser Zeit Bezirksleiter der IG Metall von Baden-Württemberg. Die Totalaussperrung nannte er »totaler Krieg gegen die Metallarbeiter dieses Landes. Er ist so erbarmungslos wie jener, den diese Herren verloren haben«.

Einer, der diesen Krieg mit geführt und schließlich verloren hatte, war Hanns Martin Schleyer, damals Spitzenmann des bundesdeutschen Verbandes der Metallunternehmer und Führungsmitglied bei Daimler Benz, Initiator der flächendeckenden Aussperrung. Dokumente sagen aus, daß er im Oktober 1944 im okkupierten Prag zur Bereitschaft der SS-Hundertschaften gehörte und für den Dienst an der Heimatflak unabkömmlich war. Willi Bleicher saß zu dieser Zeit als entschiedener Gegner des Regimes im Konzentrationslager Buchenwald. Unmittelbar nach der Machtübertragung an die Faschisten im Januar 1933 hatte der 1929 aus der KPD ausgeschlossene Aktivist der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) die illegale Arbeit gegen das Regime aufgenommen. Die war zeitweise mit Aufenthalten in der Schweiz und im noch von Frankreich besetzten Saarland geführt worden. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er wegen illegaler Arbeit gegen das Regime verhaftet und 1937 wegen »Gefährdung der Staatssicherheit« und »Vorbereitung zum Hochverrat« zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Im August 1938 erfolgte seine Überführung in das KZ Buchenwald.

Im Block 37 kam Willi Bleicher mit anderen politischen Gefangenen zusammen. Zeitweise war er Kapo in der Effektenkammer des Lagers, wo er ab 1944 das jüdische Kind Juschu (Stefan Jerzy Zweig) versteckte, das dreijährig mit seinem Vater ins Lager gekommen, von diesem aber getrennt worden war. Dank der Solidarität der Häftlinge konnte es gerettet werden. Bruno Apitz hat mit seinem Roman »Nackt unter Wölfen« dieser Rettungstat ein weltweit beachtetes Denkmal gesetzt.

Von Buchenwald aus wurde Willi Bleicher in das Gestapogefängnis von Weimar und dann ins Gefängnis von Ichtershausen verbracht. Dem von der Gestapo beschlossenen Tod konnte er im April 1945 nach barbarischen Foltern gerade noch entkommen. Das Ende des Krieges und die Befreiung vom Faschismus erlebte er in Eger, wohin er mit anderen Häftlingen verschleppt worden war.

Es war mehr als eine symbolische Handlung, daß Willi Bleicher nach der Befreiung und der baldigen Aufnahme von Funktionen in der Gewerkschaft in Stuttgart-Luginsland in das Haus zog, in dem bis 1934 die Familie Schlotterbeck gelebt hatte. Eine Tafel am Haus gibt Auskunft darüber, daß Gotthilf und Maria Schlotterbeck sowie sieben weitere Antifaschisten am 30. März 1944 von den Nazis ermordet wurden. Bis zu seinem Tode fühlte Willi Bleicher sich der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) verbunden, die ihn 1967 zum Mitglied ihres Ehrenpräsidiums wählte.

Bleicher und Steinkühler»Wir brauchen kein Denkmal« ist der Titel einer Biographie über das Leben und Wirken dieses unermüdlichen Streiters, die im Stuttgarter Silberburg Verlag erschienen ist. Sie würdigt seinen konsequenten Antifaschismus ebenso wie seine mitunter recht derben Warnungen vor einem Zurückweichen der Gewerkschaften in der Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen System. »Er duldet kein Zurückweichen, wenn es darum geht, die Interessen seiner Metaller zu vertreten. Deshalb nimmt er wiederholt Betriebsräte aufs Korn, die nur das Wohl der Betriebe im Kopf hätten und das der Arbeiter vergäßen«, heißt es in der Biographie. Deutlicher war er 1977 in einem Interview des Süddeutschen Rundfunks: »Sie begreifen noch nicht die diesem System innewohnende Anarchie. Sie begreifen noch nicht, daß der Grundwiderspruch in diesem kapitalistischen System einfach nicht gelöst werden kann. Und sie hoffen immer noch, daß ein paar Milliarden Investitionshilfe hier und dort die Dinge regulierbar machen. Natürlich, das ist auch ein Lernprozeß.«

Der Lernprozeß ist, wie sich zeigt, nicht abgeschlossen. Bleichers Lebensziel harrt noch der Erfüllung: »Eine andere, eine bessere Welt. Eine Welt, die sich nicht orientiert am Profit, sondern wo der Bedarf der breiten Massen im Mittelpunkt steht.«

Willi Bleicher: Vor 60 Jahren befreit

Die Biographie

Pressestimmen:

„Ein packendes Porträt: fesselnd dank seiner
geradlinigen Offenheit.” Stuttgarter Zeitung
„Abmayr zeichnet ein widersprüchliches Bild des
Gewerkschaftsfunktionärs, der sich nicht mit der
Nachkriegsrepublik anfreunden konnte.”


FAZ

„Eine blendend recherchierte und kratzbürstige
Biographie.”


Schwäbisches Tagblatt

„Selten ergänzen sich Wort und Bild zu einer so
dichten Schilderung.”


Forum Gewerkschaften
LITERATURHINWEISE
Denkmal
Hermann G. Abmayr


Wir brauchen kein Denkmal –
Willi Bleicher, der Arbeiterführer
und seine Erben


144 Seiten, 141 Abbildungen, gebunden,
ISBN 3-87407-123-5
Unverbindliche Preisempfehlung: Euro 10,00
Silberburg-Verlag Schönbuchstraße 48 - 72074 Tübingen
www.silberburg.de
LITERATUR-
HINWEISE


DVD
DVD zum Film

Willi Bleicher: Widerstands-
kämpfer und Arbeiterführer
- Wer nicht kämpft, hat schon verloren


ein Filmportait von Hermann G. Abmayr,
60 min,
BR Deutschland 2007

DVD plus 12 Stunden Audio-Dokumentation:
Der Aufrechte Gang

20,00 EUR

Kontakt: Willi-Bleicher-Film@t-online.de

Bleicher


Detlef Prinz, Manfred Rexin:

Beispiele für aufrechten Gang:
Willi Bleicher. Helmut Simon.
Im Geiste Carl von Ossietzkys,



Bund-Verlag GmbH,

Februar 1984,

ISBN 3766306014
Bleicher


Georg Benz (Hrsg.) u.a. :

Willi Bleicher -
Ein Leben für die
Gewerkschaften -


Frankfurt, Nachrichten Verlagsgesellschaft,

1983,

ISBN 3883670502
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