Vitalis Mairhanser ist eigentlich kein Technik-Freak. Der heute 77-Jährige hat Schneider gelernt. Das hielt ihn aber nicht davon ab, vor rund zehn Jahren von Oberbayern nach Ludwigsburg zu brausen und sich für 1300 Mark eine echte, verrostete UT-KTN-175 zu besorgen. „Auf so einer bin ich als junger Mann gefahren“, sagt Mairhanser. „Ich habe sie über ein Inserat ausfindig gemacht, total zerlegt und in anderthalb Jahren mühsamer Kleinarbeit mit Hilfe von Freunden und Bekannten wieder aufgemöbelt.“
UT – der Name sagt heute kaum noch jemandem etwas. In Stuttgart-Untertürkheim stellte die von Hermann Scheihing 1922 gegründete Firma ab 1925 Motorräder her. Bis zum Ende der Marke UT ging das kleine Unternehmen durch viele Hände. 1962 lief die letzte Maschine vom Band – da schon in Stuttgart-Möhringen, wo die Firma Schwenk und Schürle die robusten und sportlichen Maschinen herstellte.
Bis 1960 hatte auch der Sigmertshausener Vitalis Mairhanser seine geliebte UT in Betrieb. „Es war keine Luxus-, sondern eine Alltagsmaschine, aber sie ist mir trotzdem ans Herz gewachsen.“ So sehr ans Herz gewachsen, dass Mairhanser sie gerne mal zurück in ihr heimatliches Schwabenland bringt. Zur Eröffnung einer Sonderschau von UT-Motorrädern im Tübinger Auto- und Spielzeugmuseum Boxenstop hatte Geschäftsführer Rainer Klink UT-Freunde aus dem ganzen Bundesgebiet an den Neckar gelockt. Während Klink die Gattinnen der Motorrad-Freaks durch die Altstadt führte, wurde vor dem Museum nach Herzenslust gefachsimpelt.
„Die Faszination ist im Grunde leicht verständlich“, sagt Alfred Keck aus Wernau, Mitglied des Stuttgarter UT-Freundeskreises. „UT-Motorräder sind einfach wahnsinnig selten.“ Damit werden die Heißen Öfen nicht nur für die Menschen attraktiv, die früher selbst UT gefahren sind – sondern auch für Oldtimer-Fans, die gerne etwas besonderes in der Garage stehen haben möchten. Am Wochenende gingen die Schätzungen unter Kennern auseinander, wieviele fahrtüchtige Maschinen von UT überhaupt noch exisitieren. Hundert sagten die einen, zweihundert die anderen.
Immerhin über 40 dieser Fahrzeuge konnten die Stuttgarter UT-Freunde dank ihres Netzwerkes am Wochenende zusammenbringen. „Früher dachte ich, ich bin der einzige mit diesem Hobby“, erzählt Günter Wolf aus Holzgerlingen, ebenfalls ein aktiver „UT-Freund“. „Ich habe mich irgendwann mal hingesetzt und Adressen gesammelt. Jetzt bin ich hier und treffe Leute aus Aachen, Bielefeld oder der Wiener Neustadt.“
Wolf schwärmt davon, wie eng die Beziehung der Marke UT zu den Bewohnern der Region war. Man fuhr UT und war stolz darauf, dass die Maschinen hier hergestellt wurden. „Früher war ein Motorrad für viele Menschen das, was heute ein Auto ist“, berichtet Wolf. „Ein Motorrad war Alltag. Im Sommer nahm man die Frau hinten drauf auf seine UT und fuhr in den Urlaub nach Italien.“
Heute sind die UT-Zweiräder Sonntagsmaschinen. Vitalis Mairhanser etwa hat seine KTN-175 aufgeladen für den Weg aus Oberbayern. Und auch die anderen UT-Freunde fahren nur kurze Strecken mit ihren UTs, die ohne Tachometer oder Tankanzeige daherkommen. „Schalten muss ich nach Gehör und alles technische mache ich selber“, sagt Alfred Keck. „Aber genau darum vertraue ich der Maschine auch – weil ich sie selber zusammengeschraubt habe.“