Rezensionen zum Buch von Roland Haug
Die Kreml AG - Putin, Russland und die Deutschen |
Klappentext
Der 54jährige Wladimir Putin, der während des Umbruchs in der
DDR in Dresden für den sowjetischen Geheimdienst arbeitete, steht
seit dem Jahre 2000 als Nachfolger von Boris Jelzin unangefochten an der
Spitze Russlands. Er betreibt ein harte Innenpolitik und eine selbstbewusste
Außenpolitik, wobei er den Erdöl- und Erdgasreichtum seines
Landes gegen seine Nachbarn ausspielt. Er will zwar die Verständigung
mit dem Westen, beharrt aber gegenüber den USA auf einer Großmachtrolle
Moskaus. Wie ist sein Verhältnis zu den Deutschen, deren Sprache er
fließend spricht? Und wer kommt nach ihm, wenn seine Präsidentschaft
2008 ausläuft? Ein Russlandexperte beurteilt aus intimer
Kenntnis Putins Politik.
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Roland Haug
Die Kreml AG - Putin, Rußland und die Deutschen
Ca. 280 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
13,5 x 20,5 cm - 19,90 EUR - März 2007
Hohenheim Verlag Stuttgart
ISBN 978-389850-153-8
Foto: Hohenheim Verlag
Stuttgart
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Analyse
der Politik Russlands
Verhältnis zu und Verflechtungen mit Baden und Württemberg
03.03.2008 bwWoche 11/2008 erschienen:
25.03.2008-STAATSANZEIGER-VERLAG Stuttgart
Roland Haug, gebürtiger Stuttgarter, studierter Historiker und
Slawist, ist ein
ausgewiesener Kenner Russlands. Dem ehemaligen Nachrichtenchef beim
Süddeutschen Rundfunk bzw. SWR und ARD-Korrespondenten in Moskau
sind die
deutsch-russischen Beziehungen, im Guten wie im Bösen, ein Herzensanliegen.
Ebenso die Verflechtungen der deutsch-russischen Geschichte und
Geistesgeschichte im Allgemeinen und die württembergischen und
badischen
Beziehungen zu Russland im Besonderen. Das merkt man seinem neuen Buch
an, das
eigentlich alle diese Themenkomplexe behandeln will. Die Eingangskapitel
hinterlassen denn auch eher den Eindruck des Aneinanderreihens, das
in der
Verkürzung oft klischeehaft wirkt. Die Stärke des Buches
liegt jedoch vor allem
in der Analyse der gegenwärtigen Politik Russlands unter Putin.
Er hat Russland wieder als Großmacht in das weltpolitische Spiel
gebracht,
gestützt vor allem auf die Ressourcen Gas und Öl. Der Verkauf
der Gas- und
Ölvorräte ist ein zentrales Instrument der russischen Außenpolitik
und liefert
Druck- und Drohpotenzial gegenüber den Abnehmerstaaten. Die Politik
gegenüber
den unmittelbaren Nachbarn, den Nachfolgestaaten der UdSSR, ist vorrangig
davon
abhängig, ob diese Staaten als Förder- oder Transitländer
für Gas und Öl von
Bedeutung sind. Gas und Öl liefern die Mittel für das Wirtschaftswachstum
Russlands und machen es damit auch möglich, den Lebensstandard
der Massen
soweit anzuheben, dass die innenpolitische Ruhe gesichert ist.
Das
Unternehmen
„Gasprom“ ist das Symbol Russlands unter Putins Herrschaft.
In zwei Exkursen beschreibt Haug sehr fundiert die Gründe für
das bislang eher
erfolgreiche Streben der Ukraine nach Unabhängigkeit und das bislang
gescheiterte von Tschetschenien. Obwohl die Ukraine als „altrussisches
Kerngebiet“ wegen ihrer Ressourcen und ihrer geostrategischen
Lage für Putin
als Bestandteil eines von Russland geführten eurasischen Blocks
unverzichtbar
erscheint, hat die Ukraine trotz bürgerkriegsartiger Auseinandersetzungen
um
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschafts- und außenpolitischer
Orientierung bis jetzt ihre Selbstständigkeit erhalten können.
Nicht zuletzt -
wie Haug konstatiert - wegen einer zunehmend informierten und kritischen
Öffentlichkeit, vor allem in der jüngeren Generation.
Der
fortdauernde
Tschetschenien-Konflikt erscheint dagegen in absehbarer Zeit kaum
lösbar.
Seine
Wurzeln sind höchst komplex: ethnisch - religiöse Konflikte,
das Streben nach
Unabhängigkeit, archaische Rechts- und Rachevorstellungen mit
der Verpflichtung
zu Stammes- und Clanloyalität. Auch die Verflechtung mit dem islamischen
Terrorismus trifft auf einen russischen Imperialismus, der vor allem
den Zugang
zum erdgasreichen Kaspischen Meer kontrollieren will.
Russland hat unter Putin zwar wirtschaftlich und weltpolitisch an Bedeutung
gewonnen, aber gleichzeitig hat das System die zaghaften Ansätze
einer
russischen Bürgergesellschaft, von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung,
Freiheit von Medien und Meinung, von einem funktionierenden Wechselspiel
von
Regierung und Opposition zunehmend unterdrückt. Das System des „bürokratischen
Staatskapitalismus“ - wie Haug Putins Regime benennt - stützt
sich vor allem
auf die Kontrolle der Wirtschaft und verfügt als Instrumente über
Geheimdienst,
Militär und Miliz.
Rosemarie Wehling ist Historikerin und Landeskundlerin aus Reutlingen
Roland Haug: Die Kreml AG. Putin, Russland und die
Deutschen.
Stuttgart,
Hohenheim Verlag 2007,
292 Seiten, 19,80 Euro. ISBN: 978-389850-153-8.
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Ein Land gibt Rätsel auf
ESSLINGEN: Roland Haugs Blick
auf Russland
Eßlinger Zeitung vom 26.1.2008
Russland, das sich von der EU-Außengrenze bis zum Pazifik
erstreckt, bietet dem westlichen Betrachter vielschichtige Bilder auf
seinem Weg der Identitätsfindung in der Innen- und Außenpolitik.
Roland Haug, Buchautor und langjähriger Osteuropa- und Russlandkorrespondent
der ARD, bot bei einem Vortrag in der Esslinger Stadtbibliothek eine
nüchterne Betrachtung der russischen Innenpolitik.
Von Peter Stotz
„Russland gibt Rätsel auf, es ist nicht einfach, sich diesem
Riesenreich zu nähern“, stellte Roland Haug im vollbesetzten
Lesecafé der Stadtbücherei fest. Damit unterstrich er gleichzeitig,
dass es auch für Russland-Experten nur bedingt möglich sei,
ein umfassendes Bild des Landes und seines Politikverständnisses
zu zeichnen.
Kenner der Kreml-AG
Roland Haug darf dabei den Status des Kenners für sich in Anspruch
nehmen. Der geborene Stuttgarter bezeichnet Russland als seine „zweite
Heimat“. Er studierte unter anderem in Leningrad, war lange Jahre
als Osteuropa-Redakteur für den Süddeutschen Rundfunk tätig,
lebte in den 1990er-Jahren in Moskau und berichtete von dort für
die ARD und andere europäische Medien. Unlängst veröffentlichte
er das Buch „Die Kreml-AG - Putin, Russland und die Deutschen“.
„Es gibt kein absolutes Wissen über Russland, sondern nur
verschiedene Grade der Unwissenheit“, betonte Haug. Auch er habe
nur einen der möglichen Blickwinkel anzubieten. So wandte er sich
gegen „törichte und krude Vorschläge, man müsse
an Russland glauben, da man es nicht verstehen könne“ und
empfahl „weniger Romantik und mehr Pragmatismus“ in der
politischen Betrachtung des Landes.
So kritisierte Haug Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder für
seine Behauptung, Russland sei eine „lupenreine Demokratie“ als
distanzlos und lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Aussage,
man könne die eigenen Vorstellungen von Demokratie nicht auf Russland
anwenden. „Dies kam der russischen Politik sehr entgegen“,
sagte Haug, denn insbesondere das grundlegend andere Verständnis
des Westens von Demokratie und die unausgesprochene Erwartung, die
angestrebte „strategische Partnerschaft“ zwischen der
Europäischen Union und Russland bedeute gleichzeitig die Einführung
demokratischer Verhältnisse nach westlichem Muster, habe in Russland
für Irritationen gesorgt.
Reines Zweckbündnis
„Anders als in Europa wird diese Partnerschaft als reines Zweckbündnis
verstanden - enge wirtschaftliche Zusammenarbeit bei grundsätzlichen
politischen Unterschieden.“ Die westlichen Versuche, Einfluss
auf die russische Innenpolitik zu nehmen, deute man in Russland als
verlängerter Arm der Bestrebungen der USA, „als Impressario
der Weltpolitik“ aufzutreten. Russland hingegen setze auf eine
eigenständige Rolle als Weltmacht und demonstriere dadurch auch
nach innen:„Die Jahre der Schwäche sind vorbei, ein starkes
Russland ist wieder erstanden.“
Stichwortgeber für diese Politik sei die von Haug so genannte
Kreml-AG, eine „Clique von zehn oder zwölf Clans“ -
gesteuert von Geheimdienstleuten, Militärs, Polizeioffizieren
und Industriellen, die hinter den Kulissen, getrieben vom „Raubtierkapitalismus“ die
Fäden zögen. „Ein stilles Einverständnis zwischen
Führern und Geführten“, herrsche in Russland darüber,
dass „die Mächtigen der Kreml-AG hinter der Fassadendemokratie
beim Verdienen nicht gestört werden“.
Autokratische Tendenzen
Diese Übereinkunft gelte, solange es der Bevölkerung besser
gehe, ein Teil der riesigen Einkommen über Steuern beim Volk ankomme
und dem Wunsch nach Stabilität, Ordnung und nationaler Größe
entsprochen werde. Dies bediene „die stille Sehnsucht nach einem
Führer, der wie ein Vater für sein Volk sorgt“, bedeute
jedoch gleichzeitig zunehmende autokratische Tendenzen und eine „Modernisierungsdiktatur“,
sorgte sich Haug.
Roland Haug: Die Kreml AG - Putin. Russland und die Deutschen.
Hohenheim Verlag, Stuttgart. 292 Seiten, 19,90 Euro.
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Das System Putin
Stuttgarter Zeitung vom 28.12.2007
Als ein „Rätsel in einem Mysterium, das in Dunkel gehüllt ist", hat
der britische Premierminister Winston Churchill Russland charakterisiert.
Das war im Jahr 1939.
Auch heute gibt Russland zahlreiche Rätsel auf.
Mit seinem Buch „Die Kreml AG" versucht der Stuttgarter Journalist
Roland Haug, ein paar von ihnen zu lösen. Ruhig, sachlich und schnörkellos
beschreibt Haug das Russland unter Wladimir Putin. Übersichtlich erklärt
er Putins Umgang mit den Medien, mit der Wirtschaft und mit den Oligarchen,
ohne sich dabei in Details zu verzetteln. Das ist eine Stärke und eine
Schwäche des Buches zugleich. Für all diejenigen, die sich bisher noch
nicht allzu tief in die russische Seele eingefühlt haben, ist es leicht,
den Überblick zu bewahren. Auf der anderen Seite wäre an der ein oder
anderen Stelle ein intensiverer Blick hinter die verschlossenen Kremltüren
wünschenswert gewesen.
Der Untertitel: „Putin, Russland und die Deutschen" wirkt ein wenig
bemüht. Natürlich kommt das deutsch-russische Verhältnis zur Sprache,
auch die unterschiedlichen Ansätze Angela Merkels und Gerhard Schröders
im Umgang mit Putin sind Thema. Ein Schwerpunkt ist das nicht.
Zwei
angenehme Zugaben dagegen sind die kurze Geschichte
der Ukraine sowie die Entwicklung des Tschetschenienkonfliktes. Bündig
wird da die Vergangenheit auf den Punkt gebracht. Mit Spekulationen
darüber, wie es nach Putin weitergehen könnte, hält sich Haug zurück.
Was ganz vernünftig ist: Russland ist schließlich in Dunkel gehüllt.
cgo
Roland Haug: Die Kreml AG - Putin. Russland und
die Deutschen. Hohenheim Verlag, Stuttgart. 292 Seiten, 19,90 Euro.
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Der emotionslose Steuermann
Der Journalist Roland
Haug analysiert Putin und die "Kreml AG"
Vom 13.10.2007 Wiesbadener
Kurier, Main-Taunus-Kurier und andere Zeitungen
im Rhein-Main Raum
http://www.wiesbadener-kurier.de/feuilleton/objekt.php3?artikel_id=3007219
Von Alfred
Pointner
Wladimir Putin sorgt für Schlagzeilen und Kommentare. Da
passt ein frisch im Hohenheim Verlag erschienener Band ausgezeichnet in
die Diskussion: "Putin, Russland und die Deutschen", so der Untertitel.
Autor ist Roland Haug. Seine Hauptüberschrift: "Die Kreml AG".
Selten nur gelingt es, literarische Untersuchungen und Überlegungen
so auf den Punkt zu bringen, dass dieser auch gleich einen griffigen Titel
abgibt. Haug ist es gelungen.
Der studierte Historiker, Slawist und Absolvent
des Russischen Sprachseminars der Universität Leningrad ist Hörfunk-Mann,
war Osteuropa-Kommentator des SDR und zuletzt Moskau-Korrespondent der
ARD. Seit 1964 hat er insgesamt 83 Exkursionen in alle Gebiete der ehemaligen
Sowjetunion unternommen. Weitere hat er vor. Ein Hörfunk-Autor muss
im Gegensatz zu Fernseh-Kollegen ohne Bilder auskommen. Das zwingt zu genauer
Beobachtung und zu direkter Sprache, ohne Schnörkel und Längen.
Eine riesige Firma Haug vergleicht die Kremlführung mit dem Direktorium
einer riesigen Firma, an deren Erfolg zwar alle etwas partizipieren, deren
riesige Gewinne aber in der Chef-Etage bleiben. Kontrolliert und dirigiert
wird dieses Unternehmen mit eiserner Faust und von einem Mann: Wladimir
Putin.
Selbstverständlich hinken alle Vergleiche. Aber über dieses
Bild einer auf der Woge von Öl und Erdgas emotionslos gesteuerten
autokratischen Staats AG gelingt es dem Autor, seinen Lesern einen stimmigen
Eindruck jenes neuen Russlands zu vermitteln, das sich als Großmacht
auf der weltpolitischen Bühne zurück gemeldet hat - was aber
hierzulande vielfach verdrängt wird. Haug vermittelt Fakten. Er begründet,
er belegt. Seine Angaben zu Wirtschaftskraft und Effizienz der Kreml AG
sind eindrucksvoll; nicht minder der Verweis auf das Grundübel der
Firma: die durchgehende Korruption. Höchst aufschlussreich sind die
Einblicke in das Funktionieren der "Silowiki"` den Vertretern
des Sicherheitsapparats und den Trägern des staatlichen Gewaltmonopols.
Neben Defiziten deckt Haug auch Wurzeln und Hintergründe auf. Das
Kapitel über die deutschen Spuren in Russland bringt Überraschendes
- wer weiß denn schon, dass Lenin eine fromme schwäbische Mutter
hatte?
Roland Haug: "Die Kreml AG". Hohenheim Verlag. Stuttgart.
290 Seiten. 19.90 Euro.
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Perlentaucher-Buchnotizen NZZ
(www.perlentaucher.de)
http://www.perlentaucher.de/buch/27373.html
Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung,
14.09.2007
Der Rezensent mit dem Kürzel R. M. ist etwas enttäuscht
von diesem Buch über den politischen Status Quo in Russland. Erkenntnisgewinn über
das hinaus, was man nach regelmäßiger Zeitungslektüre
nicht sowieso schon weiß, steckt seiner Meinung nach nicht in dieser
Abhandlung - obwohl ihm der Autor Roland Haug eigentlich als kompetenter
Russlandkenner gilt. Die ersten Kapitel findet R.M. aufgrund ihrer Anekdotenhaftigkeit
etwas banal, und wenn es dann substanzieller wird, ist seiner Meinung
nach nicht klar, was die Ausführungen genau mit der Fragestellung
des Buches zu tun haben. Bis man zum eigentlichen Thema durchdringt,
dauert jedenfalls nach Einschätzung des Rezensenten viel zu lang.
Doch er gesteht Haug zu, dass er Putins Politik dann wenigstens differenziert
betrachtet - "weder simplistisch dämonisierend noch naiv verharmlosend".
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.07.2007
Tüchtig ist, wer vergisst...
Putin, die Deutschen und Stalins angeheiratete
Großmutter
Für
Wladimir Putin endet die Freiheit des Wortes dort, wo Journalisten von
der Linie der Staatspropaganda abweichen. So weit, so bedenklich. Beklemmender
noch: Dutzende russischer Redakteure und Reporter, die sich an diese
Vorgabe nicht gehalten haben, mussten solche Unbotmäßigkeit
mit dem Leben bezahlen, ohne dass auch nur eine einzige der Mordtaten
hinreichend aufgeklärt worden wäre. Daran nachdrücklich
zu erinnern, drängt sich jedem, der Putins Russland zu beschreiben
und zu analysieren versucht, geradezu auf. Auch der Autor dieses Buches
lässt es hier an Deutlichkeit nicht fehlen. Die Frage ist nur, wie
er da dem russischen Präsidenten zugleich eine traditionell positive
Einstellung zu deutschen Werten bescheinigen zu können glaubt? Seine
Antwort: deutsche Tüchtigkeit.
Ob Roland Haug das auch in diesem
Fall für wirklich tugendhaft hält, lässt er zumindest
offen. Ähnliches gilt für die Absicht seiner historischen Vergleiche,
die er damit verbindet. Denn nicht nur Putin, schon Lenin "war von
der Tüchtigkeit der Deutschen zutiefst überzeugt". Und
das nicht von ungefähr, hatte er doch "eine fromme schwäbische
Mutter namens Maria Blank" und war mithin "erblich vorbelastet".
Nicht genug damit: Auch Stalins angeblicher Respekt vor deutscher Tüchtigkeit
war, folgt man dem Autor, zum Teil familiären Gründen zuzuschreiben.
Wie das? Nun ja, die Großmutter seiner zweiten, von ihm in den
Tod getriebenen Frau Nadeschda, eine gewisse Magdalena Aichholz aus Württemberg, "schwätzte
Schwäbisch und besaß im Kaukasus eine Bierschänke".
Weiterblättern? Wer sich dazu entschließt, wird nach den mehr
als eigentümlichen deutsch-russischen Reminiszenzen zum Auftakt
des Buches immerhin nach wenigen Seiten auf eine ebenso sachliche wie
informative Beschreibung der Zustände, nein, nicht der in Russland,
sondern vorab jener in der Ukraine stoßen. Moskau und Kiew: Da
gibt es in der Tat geschichtliche Bindungen, die nicht wenige Ukrainer
auch sechzehn Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion immer noch als schmerzhafte
Fesseln empfinden. Haug widmet dem Thema denn fünfzig Seiten, obwohl
im Untertitel der "Kreml AG" allein von Putin, Russland und
den Deutschen die Rede ist. Ein weiterer Schwerpunkt ist Tschetschenien,
das leider immer weniger internationales Interesse findet. Putin hat
dort mit Ramsan Kadyrow eine der finstersten Figuren zum Statthalter
gemacht. Und überhaupt: Nicht zuletzt dank seiner Rolle als Kriegsherr
gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Tschetschenen ist der russische
Präsident vor bald acht Jahren überhaupt erst zum Hausherrn
des Kremls geworden. Damals hatte er es bereits zum Regierungschef gebracht
- und nicht erst, wie der Autor schreibt, zum Geheimdienstchef. Zudem
war es nicht irgendjemand, der Putin zum Präsidenten machte, sondern
diese Entscheidung durfte und darf sehr wohl dem unlängst gestorbenen
Boris Jelzin zugeschrieben werden, auch wenn er seinerzeit "mehr
und mehr handlungsunfähig" gewesen sein mag.
Bei aller Inkompetenz,
die Haug dem ersten frei gewählten Präsidenten Russlands unterstellt,
schränkt er zu dessen Gunsten freilich ein, dass es während
Jelzins Herrschaft weniger Bestechlichkeit gegeben habe, als sie mittlerweile
unter Nachfolger Putin gang und gäbe sei. Hier wird vor allem auf
eine vom Geheimdienst getragene Bürokratenkaste verwiesen, die im
Zuge des Erdöl- und Erdgasbooms unzweifelhaft enorme wirtschaftliche
Macht gewonnen hat. Ergo brauche Russland im Gegenzug "eine starke
Hand". Ja was denn nun? Gibt es die nicht längst? Der Autor
lässt einerseits Andrej Illarionow, den angesehenen ehemaligen Wirtschaftsberater
Putins, mit Warnungen vor den zunehmend autokratischen Tendenzen der
Kremlführung zu Wort kommen. Andererseits hingegen sähen vor
allem deutsche Unternehmer in Putin einen entschlussfähigen Politiker,
der für Stabilität und Ordnung in Russland eintrete. Ein Widerspruch
ist das nicht. Wohl aber wird selbst russische Kritik an russischen Zuständen
von westlichen Geschäftsleuten, von deutschen zumal, gewöhnlich
als störend und lästig empfunden. Dass in Putins "Modernisierungsdiktatur" kein
Platz für eine demokratische Zivilgesellschaft sei, wie Haug konkludiert,
ist kaum länger zu bestreiten. Doch was in aller Welt hat das mit
seinem angeblichen Hang zu deutscher Tüchtigkeit zu tun?
WERNER
ADAM
Roland Haug: Die Kreml AG. Putin, Russland und die Deutschen. Hohenheim
Verlag, Stuttgart 2007.
292 S., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z.
GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Buchnotizen FAZ
(www.perlentaucher.de)
http://www.perlentaucher.de/buch/27373.html
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung,
07.07.2007
Insgesamt zufrieden zeigt sich Rezensent Werner Adam mit Roland
Haugs Blick auf Putins Russland. Zwar scheint ihm das Buch bisweilen
etwas unausgegoren. Die Ausführungen über Putins angeblichen
Hang zu deutscher Tüchtigkeit etwa kann er nicht so ganz einordnen.
Aber er findet in dem Buch immer wieder nüchterne und instruktive
Beschreibungen der gegenwärtigen Situation in Russland. Neben
dem Problem der allgegenwärtigen Korruption erfährt Adam
einiges über das Verhältnis Russlands zur Ukraine sowie
zu Tschetschenien. Er hebt Haugs kritische Betrachtung der zunehmend
autokratischen Tendenzen der Kremlführung hervor und unterstreicht
zugleich dessen Verweis auf deutsche Unternehmer, die in Putin einen
entschlussfähigen Politiker sehen, der für Stabilität
und Ordnung in Russland eintritt. Nicht widersprechen mag Adam dem
Schluss des Autors, in Putins "Modernisierungsdiktatur" sei
kein Platz für eine demokratische Zivilgesellschaft.
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Schwieriger Partner Russland
15.09.2007 Eßlinger Zeitung
Dr. Markus Bleistein (mb) (Chefredakteur)
Russland ist den Deutschen auch in der nachkommunistischen Zeit fremd
geblieben. Nach den chaotischen Zeiten unter Jelzin hat sich zwischen
Ostsee und Pazifik in den vergangenen Jahren vieles stabilisiert. Es
herrscht dank des Erdölbooms ein Goldrausch, der am ehesten an die 50er- und
60er-Jahre in der Bundesrepublik erinnert. Doch wie geht es nach Putin
in Russ-land weiter? Der russische Präsident muss nach achtjähriger
Regentschaft zurücktreten.
Er tut alles, um sein Erbe zu sichern und
Personen seines Vertrauens auf den Schlüsselpositionen zu installieren.
Der ehemalige ARD-Korrespondent in Moskau, Roland Haug, hat in einem klugen
Buch die Vorurteile zwischen Russen und Deutschen beschrieben. Sachverständig
skizziert er die „russische Seele“ und verweist auf das ausgeprägte
Bedürfnis nach einem starken Führer. Putin will zwar eine Verständigung
mit dem Westen, beharrt aber gegenüber den USA und der EU auf einer
Großmachtrolle Moskaus. Haug analysiert die Beweggründe für
Putins Politik und läßt blinde Flecken in der deutschen Wahrnehmung
nicht aus: Besonders interessant sind dabei die Kapitel über Tschetschenien
und über Putins Verhältnis zu den Oligarchen. Der Journalist
kommt zu dem Schluss, dass Russland in absehbarer Zeit nicht demokratiefähig
ist. Der Westen wird aus Moskau noch manche Überraschung zu erwarten
haben. Wer Haugs Buch gelesen hat, wir sich aber darüber nicht mehr
ganz so erstaunt zeigen müssen.
Roland Haug: Die Kreml AG. Putin,
Russland und die Deutschen. Hohenheim Verlag,
292 Seiten, 19,90 Euro
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aktuell -Zeitung
für die Bundeswehr
Russland - Drei Bücher widmen
sich dem Zustand von Regierung, Armee und Tschetschenien.
NR. 24 BERLIN, 18. JUNI 2007
- DAS
POLITISCHE BUCH -
Geschärfter Blick
von Aschot Manutscharjan
(Aschot Manutscharjan ist Privatdozent
an der Universität Bonn und
Mitarbeiter der Zeitschrift Osteuropa)
Wie berechenbar sind die politischen Aktionen Russlands? Warum stärkt
Präsident Wladimir Putin die „Vertikale der Macht“?
Als ARD-Hörfunkkorrespondent berichtete Roland Haug jahrelang
aus Moskau, aber auch aus den entlegenen Regionen des sich über
acht Zeitzonen erstreckenden Reiches. Nach seinen Reportage-Büchern
will der Journalist seinen Lesern dieses Mal die politische Entwicklung
in Russland nahe bringen und zugleich die Regierenden vorstellen, die
geheimnisvolle Kreml AG. „Wir haben uns als schwach erwiesen
und sind besiegt worden“, entschuldigte sich Präsident Putin
am 1. September 2004 nach der Geiselnahme von Schülern in Beslan.
Haug schildert Wladimir Putin als einen „Gefangenen seiner eigenen
Gefolgsleute“, der meint, alle Entscheidungen an sich ziehen
zu müssen und der „lediglich einem kleinen Kreis alter Bekannter“ vertraut.
Vor diesem Hintergrund kristallisiert sich die undurchdringliche „AG“ heraus,
das eigentliche Macht- und Entscheidungs- zentrum Russlands mit Präsident
Putin an der Spitze. Mit der Gründung der Staatspartei „Einheitliches
Russland“ befinde sich das Land endgültig „auf dem
direkten Weg zur Autokratie“, lautet die pessimistische Prognose
des Autors. Um seinem Volk diese Entwicklung schmackhaft zu machen,
präsentiere der Präsident Russland als potenten Staat, der
seine nationalen Interessen nicht nur gegenüber dem Westen, sondern
auch in Richtung China zu vertreten weiß. In diesem Zusammenhang
erinnert Haug an Putins programmatische Äußerung über
die nationale Verteidigungspolitik: Je stärker das Militär,
desto geringer sei die Versuchung anderer, Druck auf Russland auszuüben.
Deshalb gehöre die Modernisierung der Armee zu seinen Schlüsselaufgaben.
Roland Haug: Die Kreml AG. Putin, Russland und die Deutschen. Hohenheim
Verlag; Stuttgart/ Leipzig 2007. 292 Seiten; 19,90 Euro.
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