Das Ende einer Ära
Langjähriger Bürgervereinsvorsitzender Eberhard Hahn erhält die Landesehrennadel
Untertürkheimer Zeitung 16.3.2011 -
Von Mathias Kuhn
„Der Hahn geht“, hieß es auf der Einladung zur Hauptversammlung des Bürgervereins lapidar. Die Gäste wussten jedoch, dass am Montagabend eine Ära endete. Eberhard Hahn hat 15 Jahre lang die Geschicke des Vereins und des Stadtbezirks geprägt. Drei Seiten umfasste die Liste der Verdienste des stillen Machers, die Bezirksvorsteher Klaus Eggert vortrug, bevor er Hahn die Landes- ehrennadel verlieh.
Bezirksvorsteher Klaus Eggert verleiht dem langjährigen Bürgervereins- vorsitzenden Eberhard Hahn die Landesehrennadel. Foto: Kuhn
Die Mitglieder des Bürgervereins konnten Hahns Entscheidung, den Vorsitz des Bürgervereins abzugeben, zwar verstehen, aber nicht recht daran glauben. Souverän, locker mit schwäbischem Charme eröffnete Hahn am Montagabend seine letzte Hauptversammlung, berichtete über die Aktivitäten 2010 und wollte das Zepter geräuschlos an seinen einstimmig gewählten Nachfolger Klaus Enslin übergeben. Die Mitglieder mit lang anhaltendem Applaus sowie Schriftführer Peter Vetter und Bezirksvorsteher Klaus Eggert durchkreuzten diese Pläne. „gemäß dem Motto von Gottlieb Daimler ‚Das Beste oder nichts‘ hast Du den Verein 15 Jahre geführt und deine berufliche Erfahrung im Aufbau vieler Ausstellungen, Vereinsjubiläen und Veranstaltungen einfließen lassen“, dankte Vetter Hahn und dessen Frau Inge. Per Handzeichen wählten ihn die Bürgervereinsmitglieder einstimmig zum Ehrenvorsitzenden.
Auch Eggert verzichtete auf den gewohnten Jahresrückblick und schaute lieber auf Hahns Verdienste zurück. Die stichwortartig aufgeführte Liste von Hahns vielseitigem Engagement umfasste drei Seiten. „Auf den Tag genau 15 Jahre führte Hahn den Bürgerverein, hatte aber zuvor im Vorstand gewirkt. mit großem ehrenamtlichen Engagement hat er die Geschichte des Stadtbezirks für weite Kreise der Bevölkerung deutlich und erlebbar gemacht“, würdigte Eggert Hahns Verdienste für die Heimatpflege. immer wieder bot er Geschichte verständlich und auf attraktive Weise an. in erster Linie geschieht dies in der heimatgeschichtlichen Ausstellung in Rotenberg. mit seiner Erfahrung im Messe- und Ausstellungsbau bei Daimler gestaltete Hahn die einzelnen Themen der Dauerausstellung und er stellte immer aktuelle Sonderthemen zusammen. Hahns Präsentationen beschränkten sich nicht nur auf das Heimatmuseum. mit Ausstellungen über Kunstmaler Carl Schmauk, die Untertürkheimer Jahrgänge, über das Leben von Untertürkheims Bürgermeister Eduard Fiechtner und zum 50-jährigen Jubiläum des Stuttgarter Hafens lockte er viele Besucher in die Stadtkirche oder in die Stadtbücherei. Das nächste Zugpferd ist bereits in Planung. im Rahmen des Automobilsommers 2011 wird der Bürgerverein „110 Jahre Automobiltradition in Untertürkheim“ präsentieren. Auch bei etlichen Vereinsjubiläen – beispielsweise der Freiwilligen Feuerwehr – half er entscheidend mit. „Zudem hatte Hahn einen entscheidenden Anteil am Erfolg unserer 800-Jahre-Feier im Jahr 2000. Er entwarf das Gesamtkonzept und war in die Organisation des Festes fest eingebunden“, erinnert sich Eggert. Das Ortsjubiläum ergab auch Bleibendes. Hahn schrieb und gestaltete drei Broschüren, die Untertürkheimern, aber auch Touristen den Stadtbezirk näher bringt. Passend zum baugeschichtlichen Wegweiser lädt Hahn immer wieder zu städtebaulichen Führungen ein.
„Große Verdienste für den Ort“
Anhaltspunkte über die historische Bedeutung einzelner Gebäude und Orte geben die von Hahn konzipierte Tafeln, die der Bürgerverein an entsprechenden Gebäuden aufhängte. Zu seiner Arbeit im Bürgerverein ist Hahn in weiteren Vereinen und Organisationen aktiv. So initiierte und gestaltete er ein kleines Museum im ehemaligen Beinkeller der Stadtkirche, führt die Vortragsreihe „Männervesper“ durch, hilft dem AMCU, das Andenken an die UT-Motorräder zu erhalten und unterstützt die „Stolperstein-Aktion“ mit den Recherchen nach Untertürkheimer Opfern des Nazi-Regimes. „Die Liste ist sicher unvollständig“, entschuldigte sich Eggert und holte zur Überraschung aller eine Landesurkunde hervor. „in Anbetracht ihrer Verdienste verleiht ihnen das Land die Ehrennadel“, überraschte Eggert den kurzzeitig sprachlosen Hahn.
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Viel auf dem Buckel hat der Buckel
Stuttgarter Wochenblatt 21.6.2007
Wenn der Berg
sprechen könnte, hätte er viel zu erzählen: Bewegte Geschichte
und Geschichten rund um den "Rotenberg" bei Führung
mit Eberhard Hahn
Räuber streiften durch die Wälder, ausgelassen
feierten Herrschaften auf der großen Burganlage, hart ackerten die
einfachen Leute, während Späher das Neckartal im Auge behielten
- Jahrhunderte prägt die wehrhafte Burg, die Stammburg der Württemberger,
das Bild zwischen Esslingen und der Residenzstadt Stuttgart. So lange,
bis sie im Jahre 1819 auf Beschluss des Königs Wilhelm I. abgetragen
wurde. Nichts erinnert mehr daran - außer Geheimgänge unter
der anstelle der Burg errichteten Grabkapelle für die verstorbene
Frau des Königs. Dies vermutet zumindest Eberhard Hahn, Vorsitzender
des Untertürkheimer Bürgerverein, der bei einer Führung
mit beeindruckendem Detailwissen, spannenden Anekdoten und selbst erlebten
Kindheitserinnerung die Geschichte rund um den "Rotenberg" aufleben
ließ.
ROTENBERG - Wenn der Berg sprechen könnte, hätte
er viel zu erzählen. Aber auch Eberhard Hahn, ein waschechter Untertürkheim
und interessierter Geschichte(n)sammler, kann viel berichten. Zwei Stunden
erzählt der Vorsitzende des Untertürkheimer Bürgervereins
von Fürsten, dem harten Leben in den Weinbergen in früheren Zeiten
sowie der Industrialisierung des Neckartals.
"Noch vor 1000 Jahren
war der Buckel komplett bewaldet", weiß Hahn. "Die Menschen
mussten den Wald erst roden - daher abgeleitet kommt wahrscheinlich auch
der Name Rotenberg." Offiziell heißt der Berg aber Württemberg. "Die
Untertürkheimer sagen trotzdem: Gehn wir auf den Rotenberg!" Die
Menschen mussten auf die Berge ziehen, weil das Neckartal wegen Überschwemmungen
nicht besiedelt werden konnte. Die Württemberger bauten dort auf strategisch
günstigem Posten ihr Stammschloss - eine ausschweifende Burganlage.
Als die Zahl der Bediensteten wuchs, entstand der Ort Rotenberg. Ihre Äcker
bestellten sie auf dem Gelände des heutigen Luginsland. "Es war
eine harte Zeit, nicht die gute alte, sonder die schwere alte Zeit."
Nur
die Fürsten feierten ausschweifende Feste - über die Grenzen
hin bekannt und beliebt. Im 30-jährigen Krieg aber wurde die Burg
umfunktioniert zum Pferdestall - "bis heute eine bedrückende
Erinnerung für die Rotenberger", weiß Hahn. "Wo heute
die Bushaltestelle in Rotenberg ist, war früher ein Teich zur Pferdetränke." Nützlich
war Rotenberg auch als Aussichtspunkt.
"Rotenberg war eine der ersten
Ortschaften mit eigener Feuerwehr - sogar einer Berufsfeuerwehr",
berichtet Eberhardt Hahn. Allerdings spähten die Rotenberger Feuerwehrmänner
lediglich aus, um bei der kleinsten Rauchfahne am Horizont Kanonenschüsse
abzufeuern, damit ein Bote in Untertürkheim auf seinem Pferd zum Brandherd
preschen konnte, um die dortige Feuerwehr zum Löschen zu alarmieren. "Über
diese Aufgabe der Rotenberger Feuerwehrmänner lachen die Feuerwehrleute
heute noch drüber."
Im 18. Jahrhundert wurde der Rotenberg zum
beliebten Ausflugsziel - was er bis heute ist. So soll auch Königin
Katharina sehr oft oben auf dem Buckel gewesen sein, so dass ihr Wunsch
zu verstehen ist, dort begraben zu sein. Als die junge Frau von König
Wilhelm I. plötzlich starb, entschied er sich ganz schnell, die Burg
abzureißen und ein Denkmal für seine Frau, eine Art Mausoleum,
zu bauen. 100 bis 120 Männer waren ständig im Einsatz - "es
muss eine ungeheure Logistik gewesen sein - alle Achtung!", berichtet
Hahn beeindruckt.
In der Gruft der Grabkapelle herrscht eine einzigartige
Akustik - gerne finden Konzerte in dem kühlen Ort unter der Erde
statt. Zwei Teilnehmerinnen stimmen sogleich "Kyrieeleison" an,
um den beeindruckenden Hall zu testen. Dann geht"s eine schmale,
hölzerne
Wendeltreppe hoch ins Kuppeldach - eine Besonderheit, in üblichen
Führungen nicht eingeplant. Es ist warm und dämpfig. Aber
die abgerundete, sich nach außen wölbende Wand auf der einen
Seite des Rundgangs sowie der Blick auf die aufwendige Balkenkonstruktion
auf der anderen Seite sind faszinierende Aussichten.
Ins Schwärmen
kommt Eberhardt Hahn in Erinnerung an den ehemaligen Schultes Eduard
Fiechtner, der einzige Ehrenbürger Untertürkheims. "Ich
bin ein Fan von ihm!" Fiechtner hat viel bewegt - "er besaß Weitblick,
war innovativ und hat vieles in die Hand genommen!" So bekam Untertürkheim
eine Kanalisation und Wasserversorgung. Fiechtner war in fast allen
Vereinen im Ausschuss, hat den Bürgerverein und die Weinmanufaktur
mitgegründet. "Ein
ganz rühriger Mann!" Und mit seiner Überredungskunst
hat Fiechtner auch Daimler dazu bewogen, sich in Untertürkheim
ein Grundstück
zu kaufen und dort seine Motoren zu produzieren. Doch Daimler war knitz
und verlangte, dass die Untertürkheimer ihm Elektrizität
zur Verfügung stellten - so entstand das Elektrizitätswerk,
das bis heute in Betrieb ist. Damit sich die Sache auch lohnt, sollten
die Untertürkheimer
auch privat Strom bekommen. "Wieder war Fiechtners Überzeugungskraft
gefragt", weiß Eberhard Hahn, "denn es war sehr schwierig,
die Untertürkheimer Dickschädel zu überzeugen".
Als Lockmittel diente, dass jedem Privatmann, der Strom abkauft, eine
Glühbirne
versprochen wurde. Auch die Nachbarorte wie Wangen wurden angesprochen, "doch
die gehörten schon zum Oberamt Cannstatt und es musste mit Stuttgart
verhandelt werden". Bis heute herrscht zwischen Wangenern und
Untertürkheimern
Missmut, erzählt Hahn und schmunzelt, "weil Wangen eingemeindet
wurde, Untertürkheim nur vereinigt wurde und so Vorstadt Stuttgarts
war."tb
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Schlossführung bis unter das Dach der Grabkapelle
Untertürkheimer Zeitung 14.06.2007 ROTENBERG:
Chronist Eberhard Hahn
erzählt von der Entstehung
des Ortes und dem abwechselungsreichen Burgleben
(mr) - Wenn Berge reden
könnten, so hätte der Württemberg eine Menge spannender
Geschichten auf Lager. Aber nicht minder spannend und vor allem auch sehr
lebendig trägt der Vorstand vom Bürgerverein Untertürkheim,
Eberhard Hahn die wechselvolle Geschichte des „Buckels“ vor.
„Wir
stehen hier am Westausläufer des Schurwaldes“, begrüßt
Hahn die Gruppe, die sich am gestrigen Nachmittag für eine ganz besondere
Schloßführung eingetragen hatten. Im Vordergrund stand nämlich
weniger der württembergische Adel, sondern der bürgerliche Alltag
zur damaligen Zeit. So beginnt die Führung dann auch nicht in der
Grabkapelle, sondern beim Verwaltungsgebäude.
„Noch vor tausend
Jahren war der Buckel komplett bewaldet“, weiß Hahn. Spuren
erster menschlicher Besiedlung finden sich auf dem Mönchberg um die
Schurwaldquelle herum, da wegen dem wilden Neckar und seinen ständigen Überschwemmungen
eine Talbesiedlung nicht möglich war. Erst als der personelle Aufwand
für das Stammschloss der Württemberger immer größer
wurde und sich die Bediensteten um die Burg herum niederlassen mussten,
entstand aus den Behausungen nach und nach der Ort Rotenberg. „Der
Name kommt dann wohl auch daher, dass der Berg erst gerodet, also vom Wald
befreit werden musste“, vermutet Hahn.
Auf der Burg wurde ordentlich
gefeiert, wovon die Umtertanen wenig hatten. „1814 schreibt Burggast
Ludwig Uhland von Gelage und Gesang bei dem die Untertanden ordentlich
zu tun hatten“, so Hahn. Rotenberg wurde sogar als Pferdestall missbraucht
und dann als Feuerwache. Der Melder eines Feuers musste erst nach Untertürkheim
laufen, wo ihm ein Pferd zur Verfügung stand, um damit zum Brand zu
reiten und Meldung machen zu können. Die Feuermeldung erfolgte bis
nach 1850 noch mit der Kanone.
Dass die Industrialisierung Untertürkheims
eine Verkettung von Zufällen ist, weiß Hahn ebenso zu berichten. „Da
die Eisenbahn nicht auf der geplanten Strecke fahren konnte, man brachte
den Rosensteintunnel nicht trocken, wurde die Teststrecke bei Untertürkheim
genutzt, wodurch der Ort auffiel. Ein findiger Schultes überredete
den Tüftler Gottlieb Daimler hier seine Fabrik zu erstellen. Der bestand
auf Stromversorgung. Dafür gab es für jeden Haushalt, der sich
für Strom entschied, eine Glühbirne.
Die Firma Daimler war nicht
immer nur gut für den Ort, da sie im Krieg eines der Hauptziele war.
Die Flugabwehr erfolgte durch Nebelmaschinen, Säurefässer, die
die Kleider zerfraßen. Zum ersten Schultag nach dem Krieg durfte
Hahn das Dach der Lindenschule eindecken. Der Hafen habe Untertürkheim
optisch und klimatisch verändert. Zuvor gab es im Ort keine Möwen.
Der Höhepunkt der Führung war der selten gestattete Gang
aufs Dach der Grabkapelle.
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Stuttgarter Zeitung, 23.01.2006
Der Krieg und seine Folgen im Kleinen
Bei dem Männervesper in Untertürkheim geht es um die
traurige Ortsgeschichte
Der Heimatforscher Eberhard Hahn hat über Jahre Todesanzeigen für Untertürkheimer
Soldaten zusammengetragen. Bei dem traditionellen Untertürkheimer Männervesper
hat er am Samstag an diese Soldatenschicksale erinnert.
Von Dorothee Haßkamp
Die Phrasen auf den Todesanzeigen für die jungen Männer gleichen sich:
Neben dem gedrungenen Eisernen Kreuz wird der Heldentod für "Führer,
Volk und Vaterland" beschworen. Selbst Familien, die den Tod ihres Sohnes
schon damals nicht heldenhaft, sondern sinnlos fanden, gaben ihre Trauer auffallend
stereotyp bekannt. Der Heimatforscher Eberhard Hahn ist überzeugt davon,
dass die Zensur der gleichgeschalteten Presse sich auch auf die Todesanzeigen
erstreckte: "Ich bin sicher, dass viele Anzeigen vor dem Erscheinen verändert
worden sind."
Seit Jahren hat Eberhard Hahn alten Ausgaben der "Württembergischen
Landeszeitung" auf Dachböden und in privaten Haushalten nachgespürt.
Der Vorsitzende des Untertürkheimer Bürgervereins hat die vergilbten
Zeitungen sorgsam mit Pinsel und Pinzette behandelt, die Anzeigen wieder lesbar
gemacht und kopiert. Damit arbeitet er ein Stück Untertürkheimer Geschichte
auf, die zu seiner eigenen Geschichte gehört. Die meisten Namen auf den
Traueranzeigen sind ihm aus seiner Kindheit bekannt. "Als Schuljunge gehörte
die Trauer um die gefallenen und vermissten Brüder und Väter zu unserem
Alltag", erinnert sich Hahn. Seine beiden Brüder wurden eingezogen,
fortan war der Briefträger im Leben der Familie ein bedeutender Mann, der
zunächst herbeigesehnt und dann gefürchtet wurde. "In den ersten
Kriegsjahren waren wir enttäuscht, wenn er nichts für uns hatte, weil
wir auf Feldpost hofften", sagt Hahn. "Später waren wir jedes
Mal froh, wenn er vorbeiging, weil er fast nur noch Todesanzeigen brachte." Doch
nicht nur den Vermissten und Gefallenen widmet der Heimatforscher seine Freizeit.
Im Rahmen der Aktion Stolperstein geht Hahn auch den Schicksalen der Verfolgten
und Ermordeten aus Untertürkheim nach.
Am Samstagmorgen in der Besenwirtschaft Schwarz an der Schlotterbeckstraße
- benannt nach einer Familie von Untertürkheimer Widerstandskämpfern,
die Ende 1944 ermordet wurden - ging es um die Soldaten und ihre Familien. Von
den gut drei Dutzend Zuhörern, die zum traditionellen Männervesper
der evangelischen Kirchengemeinde gekommen waren, hatten fast alle die Kriegsjahre
miterlebt. "Mit 18 bin ich begeistert in den Krieg gezogen, an den Tod
habe ich nicht gedacht", erzählt ein 82- Jähriger. Doch aus der
Begeisterung wurden an der Ostfront bald Angst und Verzweiflung. Trotzdem habe
er noch im April 1945 an den "Endsieg" und eine "Wunderwaffe" geglaubt. "Erst
als ich von Hitlers Selbstmord erfuhr, habe ich gedacht: Jetzt ist es vorbei.
Heute weiß ich, dass mir meine Jugend gestohlen worden ist. Ich kann Kriegsfilme
kaum ertragen, aber die Jüngeren müssen diese Dokumentationen sehen,
damit sie von der Grausamkeit des Krieges erfahren", so der Veteran.
Mal spricht Verzweiflung, mal Verblendung aus den persönlichen Zeugnissen
von der Front, die Hahn gesammelt hat. Berührend ist die schlichte Todesanzeige,
die ein 19-Jähriger damals für sich selbst entworfen hat als Teil eines
liebevollen Abschiedsbriefs, den er bei einer befreundeten Familie deponiert
hatte. 1944 hatte er als sein Todesjahr eingetragen und mit seiner beklemmenden
Vorahnung Recht behalten. Aus demselben Jahr stammt der Brief eines Soldaten,
der seiner Familie aus dem Lazarett letzte Anweisungen erteilte. Das Salbadern
des Pfarrers wünsche er nicht, die NSDAP solle die Trauerfeier würdig
gestalten, lässt er seine Familie wissen. Sie dürfe nie am Sieg "der
großen Sache" zweifeln. "Mut habt ihr zu haben, damit ihr dieses
Opfer wert seid", befiehlt der Sterbende barsch.
Günter Pfisterer kennt zwei andere der gezeigten Dokumente nur zu gut: Es
sind die Todesanzeigen seiner Onkel. Pfisterer hat als kleiner Junge die Nächte
im Bunker verbracht und die Trümmer der ausgebombten Häuser weggeräumt. "Wer
einen Krieg miterlebt hat", meint der 70-Jährige kategorisch, "der
muss Kriegsgegner werden."
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Bürger für Engagement geehrt - Stuttgart.de - 30.09.2005
Bürgerempfang im Rathaus
OB Schuster überreicht die Ehrenplakette für ehrenamtlichen Einsatz
Oberbürgermeister Wolfgang Schuster empfing am Samstag, 1. Oktober, 700 ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger im Rathaus, um ihnen für ihr Engagement zu danken und gemeinsam mit ihnen zu feiern.
OB Schuster (Mitte) verlieh Eberhard Hahn,
Lisbeth Wurst, Hubert Steimle und Ernst
Strohmaier (von links) die Ehrenplakette der
Landeshauptstadt Stuttgart. Foto: Schlegel
Eingeladen waren dieses Jahr unter anderem freiwillige Wahlhelfer,
die ja in letzter Zeit besonders gefordert waren, galt es doch nicht
nur, die Bundestagswahl glatt über die Bühne zu bringen. Letztes Jahr waren sie bei der Gemeinderats-, Regional- und Europawahl tätig, kurz danach bei der Wahl zum Oberbürgermeister. Und das nächste Engagement ist schon in Sicht: Nächstes
Jahr folgt die Landtagswahl.
Erstmals zum Bürgerempfang eingeladen waren alle Träger der städtischen Ehrenmünze. Die Münze, die erst seit letztem Jahr verliehen wird, ist eine Auszeichnung für besonderes Engagement in den Stadtbezirken.
Höhepunkt des Empfangs, der von Musikern der Musikschule Stuttgart umrahmt wurde, war die Verleihung der Ehrenplakette der Landeshauptstadt Stuttgart an vier Bürgerinnen und Bürger, die sich in vorbildlicher Weise ehrenamtlich in verschiedenen Bereichen engagiert haben.
Die Zuffenhäuserin Lisbeth Wurst war bis zu ihrer Pensionierung 1984 als Religionspädagogin an Berufs- und Realschulen in Stuttgart tätig. Seit über 40 Jahren ist sie in vielfältiger Weise engagiert, zum Beispiel als Kirchengemeinderätin der Paulusgemeinde Zuffenhausen. Dort hat sie sich besonders für den Orgelbau und das „Paulusstüble“ eingesetzt und oft den Organistendienst übernommen. Lisbeth Wurst war lange Jahre ehrenamtliche Helferin im Strafvollzug. Bei regelmäßigen Besuchen in den Frauenabteilungen der Gefängnisse kümmerte sie sich um die dort einsitzenden Frauen. Von 1990 bis 2004 gehörte sie als stellvertretendes Mitglied dem Bezirksbeirat Zuffenhausen an.
Ernst Strohmaier, der im Stuttgarter Osten wohnt, ist Bundesgeschäftsführer der “Deutschen Jugend aus Russland”, einem Verein mit 11 000 Mitgliedern. Sein Engagement gilt vor allem der Arbeit mit jungen Russlanddeutschen, um deren Integration in die Gesellschaft zu unterstützen. Durch Hilfe zur Selbsthilfe wird die Eigenverantwortung der Jugendlichen gestärkt und das friedliche Zusammenleben in der Stadt gefördert. So geht beispielsweise das Projekt “Boxen im Osten” auf seinen Verein zurück, das 2003 von der Bürgerstiftung Stuttgart ausgezeichnet worden ist. Es handelt sich dabei um ein professionelles Boxtraining, das als Integrationsmaßnahme und Anti-Gewalt-Training dient.
Der Vaihinger Hubert Steimle ist seit 45 Jahren ehrenamtlich vor allem in seinem Stadtbezirk tätig, zum Beispiel als Vorstandsmitglied des Bürgervereins und des Heimatrings Vaihingen. Unter seiner Federführung entstand das “Vereinshaus Alte Rohrer Schule”, im dem ein reges Vereins- und Kulturleben stattfindet. Seit 1976 war Steimle stellvertretendes und von 1980 bis 2003 ordentliches Mitglied im Bezirksbeirat Vaihingen. Einer seiner Schwerpunkte war der Einsatz für die älteren Mitbürger, insbesondere im Bereich „Betreutes Wohnen“. Seit vielen Jahren ist er im Vorstand des Fördervereins der Hans-Rehn-Altenwohnanlage in Rohr.
Der Untertürkheimer Eberhard Hahn ist schon lange Jahre in seinem Stadtbezirk als Heimatkundler aktiv und hat sich um die Heimatpflege verdient gemacht. Mit großem Engagement hat er die Geschichte des Stadtbezirks verständlich und attraktiv aufbereitet, historische Sachverhalte erforscht und ein eigenes umfangreiches historisches Archiv aufgebaut. Auf seine Initiative gehen zum Beispiel die Texttafeln an Untertürkheimer Gebäuden zurück, die deren Geschichte beleuchten. Er bietet historische Spaziergänge durch Untertürkheim und Luginsland an und entwarf für die 800-Jahr-Feier des Stadtbezirks die Gesamtkonzeption.
30. September 2005
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Stuttgarter Wochenblatt vom 01.09.2005
Mit Pinsel, Lesebrille und offenem Ohr der Ortsgeschichte auf der Spur
Der Untertürkheimer Eberhard Hahn erhält die Ehrenplakette der Stadt Stuttgart für seine Verdienste um die Heimatpflege
Ausstellungen über die Geschichte des Ortes, über Leben und Werk von Personen wie Eduard Fiechtner, den einstigen Ortsvorsteher Untertürkheims, Tafeln für einen baugeschichtlichen Rundgang, Konzeptionen für Jubiläumsveranstaltungen wie die 800- Jahr-Feier, Broschüren, Vorträge, Führungen historischer Spaziergänge und der Vorsitz des Bürgervereins - Eberhard Hahn hat "große Verdienste um die Heimatpflege in Untertürkheim" erworben, meinen die Verantwortlichen der Stadt.
Deshalb bekommt er die Ehrenplakette von Stuttgart.
ROHRACKER/UNTERTÜRKHEIM - Eberhard Hahn, der heute in Rohracker wohnt, ist in Untertürkheim aufgewachsen.
Er war aktiv im Vereinsleben - Motorclub, Feuerwehr, Ski- und Wanderverein: "Es gab fast keinen Verein, wo ich nicht dabei war. Nur singen und Musik mag ich nicht so gern." Untertürkheim ist ein Dorf. "Da kennt man sich untereinander." Früher war das für Lausbuben oft ein Nachteil. "Wenn man was angestellt hatte, haben die Leute einen gleich gekannt", erinnert sich Hahn und lacht verschmitzt. Heute nutzt er die Nähe zu den Untertürkheimern, den Kontakt zu den Menschen und deren Vertrauen zu einem von ihnen für seine Heimatforschung und Heimatpflege.
Kreativität,
Organisationstalent gehören dazu
Diese Fähigkeiten hat Eberhard
Hahn in seinem Beruf erlernt.
Ab 1945 besuchte der junge Hahn die Wirtemberg-Oberschule (Gymna- sium),
doch er sah, dass seine Fortbildungs- chancen verstärkt in einem praktischen,
kreativen Studium liegen und so begann er noch vor dem Erreichen der
Mittleren Reife eine Lehre in einer Fachfirma für Dekorations- malerei,
die er erfolgreich abschloss. "Ich
bin mehr ein kreativer Mensch, praktisch und gestalterisch." Später
lernte Hahn noch Grafiker und Schaufensterdekorateur. 25 Jahre gestaltete
er für Daimler-Benz dreidimen- sionale Werbung mit Schwerpunkt
für
Messen und Ausstellungen, in der Zusammenarbeit mit anerkannten Designkapazitäten
war er an der Entwicklung des neu geschaffenen Firmen-CI (corporate
identity) beteiligt, dessen Umsetzung seinem Zuständigkeitsbereich
in Verantwortung übertragen wurde. Hahn war weltweit unterwegs. Er
schwärmt
von Aufenthalten in Amerika, Russland, Indien, Australien. An der Wand
im seinem Dachzimmer in Rohracker zeugen Landkarten, fremde Münzen,
Flugtickets - säuberlich
als Collagen gerahmt - und etliche Mitbringsel von seinen Reisen.
Heute ist der 71-jährige Hahn mit Rucksack und Zelt in der Welt unterwegs. Trotz Abenteuern in der ganzen Welt - oder gerade deshalb - ist er sehr heimatverbunden. "Mir hat es überall gefallen auf der Welt. Aber ich bin immer wieder gerne heim gekommen." 1993 ging Hahn in den Vorruhestand. Als altes Eisen fühlte sich der damals 59-Jährige aber nicht. "Das hat den Ausschlag dafür gegeben, dass ich Untertürkheim unter meine Fittiche genommen habe. Das Schlimmste wäre gewesen, wenn ich keine Aufgabe mehr gehabt hätte." 1996 wurde Hahn der Vorsitzende des Bürgervereins. Alles fing an mit einer kleinen, heimatgeschichtlichen Ausstellung im ehemaligen Schulhaus in Rotenberg mit ergänzenden Publikationen.
"Die war handgestrickt, ich hab sie a bissle professionell gestaltet
- das ist mein Herzblatt bis heute!" In liebevoller Kleinarbeit
sucht Eberhard Hahn sein Material zusammen. Er sammelt Dokumente, Bilder,
spricht mit Leuten, die die damalige Zeit erlebt haben. "Stück
für Stück fügt sich ein Bild zusammen - jedes Mal freue
ich mich wieder!" Viele Untertürkheimer kommen aber auch
selbst auf Eberhard Hahn zu, "weil sie mich
kennen". Sie bringen Schuhkartons mit alten Briefen, Zeitungsausschnitten,
Fotos. Inzwischen hat Eberhard Hahn rund 20 Ausstellungen konzipiert
und organisiert, hat dazugehörige Broschüren erarbeitet.
Er hält auch Vorträge über das Leben und Werk des Schultheiß Eduard
Fiechtner, den Künstler Carl Schmauk, 100 Jahre Untertürkheimer
Bank sowie 50 Jahre Wallmerkirche.
Manchmal muss Hahn monate- oder gar jahrelang recherchieren, um die Geschichte zu rekonstruieren. "Ich bin auch viel im Stadtarchiv Stuttgart unterwegs." Seit zehn Jahren beschäftigt sich Hahn mit den Familien der Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs aus Untertürkheim, "von denen schwätzt niemand mehr". Ihm ist das Thema eine Herzensangelegenheit. "Ich kenne viele Familien und kann mich gut zurückerinnern, wie es war, als die Todesnachrichten kamen." Mühsam war es, damalige Todesanzeigen zu bekommen und die zum Teil vergilbten und kaum noch leserlichen Papierstücke akribisch mit Pinsel und Farbe zu restaurieren. Hahn ist merklich bewegt von den Schicksalen, die hinter den mehr als 100 Anzeigen stecken. Der Tod der Männer, Brüder, Söhne sei schon schlimm gewesen. "Doch wie den Hinterbliebenen die Todesnachricht vom Heldentod" überbracht worden ist, war furchtbar", erzählt Hahn. "Ich will ihnen ein Andenken setzen, die Wunden sichtbar machen und zu Besinnung und Nachdenken anregen." Hahn gibt sein Wissen gerne weiter. Er hält Vorträge, führt historische Spaziergänge und steht Fernsehteams vom SWR als Interview-Partner für deren Sendungen zur Verfügung. Die Geschichte seines Heimatortes Untertürkheim liegt Eberhard Hahn sehr am Herzen. tb
Fotos:Enslin
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Untertürkheimer Zeitung vom 4.12.2003: UNSER MENSCHLICHER ADVENTSKALENDER
„Geist von Weihnachten" war noch lange zu spüren
Erinnern Sie sich noch, wie Sie als Kind jeden Morgen das Türchen
am Adventskalender öffneten und schauten, welche Überraschungen
sich dahinter verbirgt? Wir wollen Ihnen die Vorweihnachtszeit versüßen.
Jeden Tag öffnet sich bei uns ein Türchen mit einer persönlichen
Weihnachtsgeschichte einer Persönlichkeit.
Heute: Eberhard Hahn, Vorsitzender des Bürgervereins
Untertürkheim.
Man
schreibt das Jahr 1944, die wiederholten, schweren Bombenangriffe auf
unseren Heimatort, prägen, neben den sich häufenden Todesnachrichten
von an der Front gefallenen Angehörigen und Freunden, unseren Alltag.
Das Weihnachtsfest rückt näher, doch zum Feiern ist so recht
niemanden zu Mute. Geschenke sind jetzt mehr von ideellem oder wie in
der folgenden Begebenheit von „hoch geistlichem Charakter".
Heiligabend wird 1944 zu einem besinnlichen Abend, zusammen mit meinen
Eltern und meiner Schwester. Unsere Gedanken sind bei meinen Brüdern,
die beide an der Ostfront ihren Wehrdienst leisten. Für mich als
Zehnjährigen gelten die Gedanken auch dem nächsten Tag, denn
da ist der Besuch von Onkel und Tante angesagt. „Döte",
wie der Patenonkel genannt wird, zaubert für mich immer ein besonderes
Geschenk auf den Gabentisch.
Meine Erwartungen werden voll erfüllt: Im Päckchen entdecke
ich einen Märklin- Eisenbahnwagen Spur 0, allerdings beschädigt
und nicht fahrbereit. Wenige Wochen zuvor wurde das Haus von meinem
„Döte" durch eine Fliegerbombe zerstört und der
Eisenbahnwagen stark ramponiert.
Jetzt findet er, zusammen mit einem Glas selbstgemachtem „Gsälz"
und einer Flasche Obstschnaps, gebrannt aus eigenen Erzeugnissen, die
im Keller den Bombenangriff scheinbar gut überstanden hat, einen
würdigen Platz unterm Christbaum auf Omas Kommode.
Man ist zufrieden, dass der Nachmittag nicht durch Sirenengeheul gestört
wird. Doch die Ruhe trügt.
Plötzlich verändern sich die Gesichtszüge der Anwesenden,
sie rümpfen die Nase und mein Vater bemerkt: hier riecht es wie
in einer Schnapsbrennerei. Es liegt nahe, dass die mitgebrachte Flasche
mit dem Obstler nicht mehr dicht ist und seinen Geist langsam entschwinden
lässt. Der Verdacht braucht eine Bestätigung, und so ist der
Griff zur Flasche, meine Mutter fühlte sich dafür berufen,
wohl selbstverständlich - und jetzt ist die Weihnachtsbescherung
bei Hahns perfekt.
Denn, was niemand ahnen kann, als die Flasche angehoben wird, bleibt
ihr Boden auf dem mit Tannenzweigen dekorierten Deckchen zurück.
Ein Liter wertvollste hochgeistige Flüssigkeit, aus den Trümmern
heil geborgen, ergießt sich über Geschenke und Weihnachtskrippe,
verteilt sich auf der Kommode, um dann in den Schubladen zu versickern
oder den Weg zum Fußboden zu finden. Die Bestürzung ist groß,
der Verlust lässt sich verkraften, doch zum Leidwesen meiner Eltern
ist der „Geist von Weihnachten" nach Wochen noch zu spüren
und zu riechen, und mir ist die besondere Bescherung bis heute im Gedächtnis
geblieben.
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